Mark Indersdorf:Empathie

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Guido Schiefen und Markus Kreul konzentrieren sich im Barocksaal auf Robert Schumann und verdeutlichen die Dimensionen des Romantischen, weit weg von der üblichen Gefühlsseligkeit

Von Dorothea Friedrich, Mark Indersdorf

"Eine deutsche Affäre" hat Philosoph Rüdiger Safranski sein Buch "Die Romantik" genannt. Damit hat er viel dazu beigetragen, dieses heutzutage so verklärte Zeitalter zu entstauben. Er beschreibt eine Epoche, in der die Entfesselung des Geistes, die Lust am Experiment und der Aufbruch ins Grenzenlose, Ungewisse im Mittelpunkt stehen. Wie sehr dies in der Musik auf Robert Schumann (1810 -1856) zutrifft, zeigte das Eröffnungskonzert des zehnten Europäischen Musikworkshops Altomünster unter dem Titel "Schumannia" mit Pianist Markus Kreul und Cellist Guido Schiefen.

Kreul, in Altomünster ansässig und international tätig, ist künstlerischer Leiter des Musikworkshops, der heuer vom 26. März bis 3. April stattfindet. Guido Schiefen ist als renommierter Solist und Kammermusiker in allen bedeutenden Konzertsälen zu Hause. Als Aufführungsort hatten die beiden Künstler den wunderbaren Barocksaal des ehemaligen Augustiner-Klosters in Markt Indersdorf gewählt. Eine gute Entscheidung, wie die vielen Besucher zeigten, die sich auch die kluge Einführung in Leben und Werk Schumanns sowie die Werkauswahl nicht entgehen ließen. Die war nicht nur für Schumann-Fans einfach großartig. Konzentrierte sie sich doch auf die in jeder Beziehung bewegte Zeit um 1849, also den Dresdner Maiaufstand und dessen Niederschlagung, die der Komponist und seine Familie hautnah miterleben mussten. In nur wenigen Tagen entstanden die Drei Fantasiestücke Opus 73, Drei Romanzen Opus 94 und Fünf Stücke im Volkston Opus 102 komponiert.

Guido Schiefen unterstützt die Nachwuchsarbeit im Landkreis mit seinen Konzerten und seiner Lehrtätigkeit beim Europäischen Musikworkshop. (Foto: Toni Heigl)

Die Fantasiestücke erwiesen sich als gelungene Ouvertüre, zogen das Publikum vom ersten Augenblick an in den Bann der Töne. Viele Musikwissenschaftler deuten sie als Rückzug des Komponisten ins Biedermeierliche. Von wegen: Für Schiefen und Kreul sind sie viel mehr als musikalische Schmankerl. Sie machen aus den Spielanweisungen "zart und mit Ausdruck", "lebhaft, leicht" und "rasch, mit Feuer" vor Lebenslust überquellende Miniaturen. Und eine Hinführung zu einem der Konzerthöhepunkt sind sie auch: dem Abendlied Nr. 11 aus den "Klavierstücken für große und kleine Kinder". Schiefen scheint fast eins mit seinem Instrument zu werden, spielt so hingegeben, hingebungsvoll, dass es dem Zuhörer Schauer den Rücken runter jagt. Da waren die "Fünf Stücke im Volkston" von Schumann für Cello und Klavier komponiert, fast schon Erholung für die Endorphin-gefütterten Hirnwindungen. Kreul und Schiefen zeichneten mit ihren Instrumenten eine ländliche Idylle, einen Rückzugsort, an dem Körper, Geist und Seele in durchatmen können.

Dass Romantik auch Gefühl pur sein kann, zeigten die Künstler nach der Pause mit den drei Romanzen op. 94. Die ursprünglich für Oboe und Klavier komponierten Stücke waren ein Weihnachtsgeschenk Robert Schumanns für seine Frau Clara. Die Beziehung war bekanntlich nicht leicht, weil Clara als berühmte Pianistin oft genug die Familie finanzierte. Vielleicht hat das erste Stück deshalb - jedenfalls bei Kreul und Schiefen - einen leicht melancholischen Anklang. Das zweite jedoch ist ein zu Herzen gehendes Liebeslied ohne Worte. Kein Wunder also, dass es immer wieder als Hintergrundmusik diverse Film- und Fernsehschmonzetten adelt.

Markus Kreul leitet den Europäischen Musikworkshop. (Foto: Toni Heigl)

Nun war Robert Schumann auch ein geradezu rauschhafter Liedkomponist. Weshalb zwei Künstler, von denen der eine mit seiner empathischen, fast entrückten Spielweise (Schiefen) und der andere mit seiner feinen und doch kraftvollen, akzentuierten Art (Kreul) überzeugen, weil sie mit ihren Instrumenten so hinreißende Dialoge führen können, drei Transkriptionen für Cello und Klavier spielten.

Jede für sich ist eine Mini-Oper ohne Stimme und auch ein Drama wie "Zwielicht" aus dem Liederkreis. Dazu noch die schönste aller Liebeserklärungen, die "Widmung" aus den Myrten, und die romantischste "Mondnacht" des Jahres als Zugaben. Das war Schumann in Vollendung, getreu dessen Aussage: "Das wäre eine kleine Kunst, die nur Klänge und keine Sprache noch Zeichen für Seelenzustände hätte".

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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