Letztes Konzert von "L'Estro" in Sulzemoos:Glanzvolles Verhallen

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Mit einem beeindruckenden Konzert in Einsbach verabschiedet sich das Kammerorchester L'Estro vom Dachauer Publikum. Der nächste Auftritt findet in Estland statt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Kammerorchester L'Estro feiert in der Wallfahrtskirche von Einsbach sein zehnjähriges Bestehen mit einem mitreißenden Vivaldi-Konzert. Der Auftritt ist leider auch der letzte im Landkreis, denn das junge Laienensemble löst sich zum Jahresende auf

Von Renate Zauscher, Sulzemoos

Jubiläen und Abschiede liegen zuweilen nahe beieinander. So wie jetzt auch beim Jubiläumskonzert des Kammerorchesters L'Estro in der Kirche Heilig Blut in Einsbach, das ganz im Zeichen der Musik von Antonio Vivaldi stand. Das Orchester feierte damit sein zehnjähriges Bestehen - und wird sich zum Ende des Jahres auflösen. "Alles hat seine Zeit", sagt Frank Behrendt, Gründer und Leiter des Orchesters, der selbst die Bratsche spielt. Nach der doch sehr zeitaufwendigen Arbeit mit dem Orchester warteten auf ihn jetzt andere, vornehmlich private Aufgaben.

Das Kammerorchester L'Estro ist aus Mitgliedern des Abaco Sinfonieorchesters der LMU München entstanden, die sich speziell der Barockmusik widmen wollten. Seinen Namen hat sich das Orchester, das mittlerweile aus gut einem Dutzend teilweise sehr junger Mitglieder besteht, in Anlehnung an den Konzertzyklus von Vivaldi gegeben, der 1711 unter dem Titel L'Estro Armonico mit zwölf Konzerten für Violinen und Streicher publiziert wurde. "L'Estro", das bedeutet so viel wie "Eingebung" oder "Inspiration". Die Namenswahl, heißt es im Begleittext zum Konzert, sei nicht nur als musikgeschichtliche Referenz gegenüber der Konzertsammlung von Vivaldi zu verstehen, sondern beziehe sich auch auf die Suche des Orchesters nach der musikalischen Inspiration bei der gemeinsamen Arbeit.

Passend zum Namen und zur immer wieder neuen Auseinandersetzung mit der Musik Vivaldis hat man sich dann auch für ein ausschließlich dem venezianischen Komponisten gewidmetes Programm für das Jubiläumskonzert entschieden, bei dem die Konzertsammlung L'Estro Armonico im Mittelpunkt stand. Die Reihenfolge der aufgeführten Stücke spiegelt die zeitliche Entstehung wider und damit auch die Entwicklungsgeschichte innerhalb von Vivaldis Konzerten: den Übergang vom Concerto Grosso zum Solokonzert.

Während die ersten drei in Einsbach gespielten Concerti im Wesentlichen für Violine, Streicher und Basso Continuo komponiert wurden, bekamen Solisten in drei weiteren aufgeführten Kompositionen den nötigen Raum, um ihr jeweiliges Instrument und die Kunst, es zu spielen, dem Publikum in besonderer Weise präsentieren zu können. So glänzte Melanie Schulz im Concerto G-Dur (RV 415) am Violoncello und Noemi Zimdahl im Concerto Nr. 6 a-moll (RV 356) aus L'Estro Armonico an der Violine. Von einem Distelfink, einem "Gardellino", ließ sich Vivaldi zum Konzert in D-Dur (RV 428) für Blockflöte, Streicher und Basso continuo inspirieren. Veronika Schiela, in Freiburg studierende Flötistin, imitierte das Trillern des Vögelchens mit atemberaubender Fingerfertigkeit auf ihren kleinen Sopranino-Flöte: ein Instrument, das in den sehr schnellen Passagen dem, der es spielt, einiges abverlangt. Entsprechend begeistert applaudierte das Publikum.

Die vor einigen Jahren sehr schön renovierte Kirche Heilig Blut erwies sich bei dem von Kult A 8 veranstalteten Konzert als höchst stimmungsvoller Rahmen. Man würde sich wünschen, dass das auf hohem Niveau musizierende Ensemble hier noch öfter zu hören wäre - aber das wird es, zum Bedauern vieler, nicht geben.

Jetzt steht nur noch eine Tournee des Kammerorchesters nach Estland an, bei der das Programm "Viva Vivaldi" in Tallin und Haapsalu erneut zu hören sein wird, und im Dezember tritt das Orchester wie in den vergangenen Jahren mit einem Weihnachtskonzert in der Münchner Residenz auf. Dann löst sich das Ensemble zum Jahresende auf.

Zwar dürften alle der gut ein Dutzend Orchestermitglieder auch in verschiedenen anderen musikalischen Gruppierungen gefragt sein. Dennoch ist durchaus Bedauern herauszuhören, wenn man mit Ensemblemitgliedern spricht. So nennt die Geigerin Antonia Morin zum einen die "tolle Atmosphäre" innerhalb des Orchesters, die etwa bei den Probewochenenden vor einem Konzert immer geherrscht habe. Und zum anderen habe das Musizieren in einem Orchester auf so hohem Niveau wie dem von L'Estro - einem Niveau, das für Musiker mit anderen, bürgerlichen Berufen keineswegs selbstverständlich sei - "enormen Spaß gemacht".

Die Freude am gemeinsamen Musizieren hat sich beim Konzert in Einsbach auch dem Publikum mitgeteilt. Immer wieder gab es Beifall - für das Orchester als Ganzes, für die Solisten, und nicht zuletzt für das, was Vivaldi der Welt hinterlassen hat: Musik, in der vor allem in den Allegro-Sätzen überschäumende Lebensfreude zum Ausdruck kommt. So etwa, wie im dritten Satz des Konzerts in d-moll (RV 128), der als Zugabe die Menschen in der kleinen Einsbacher Kirche zuletzt noch einmal stürmisch applaudieren ließ.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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