Leierkasten:Die Querdenkerin

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Kann Spuren von Satire enthalten: Das Programm "Grenzwertig" von Kabarettistin Lisa Catena

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Grenzwertig. So hat die Schweizer Kabarettistin Lisa Catena ihr aktuelles Programm betitelt. Befürchtungen, man werde einen Abend lang mit Sottisen einer Blödelbardin überschüttet, waren jedoch völlig grundlos.

Catena schoss am Samstagabend in der ausverkauften Kleinkunstbühne Leierkasten in Dachau ihre Wortspitzen zielgenau ins Herz momentaner Befindlichkeiten und des Publikums. Schonzeiten gab es weder für irrlichternde US-Präsidenten, egomanische Türkei-Beherrscher, jeden Pups hypende Facebooker, "Wirtschaftsflüchtlinge, die man abschiebt und solche, die man aufnimmt" oder lautstarke Extremisten jeglicher Couleur. Ihrer Warnung, "dieses Programm ist laktose- und glutenfrei. Es enthält Spuren von Satire. Sollten Sie an einer Satire-Unverträglichkeit leiden, empfehle ich einen Umzug in die Türkei", folgte selbstredend keiner ihrer Zuschauer. Dazu war die inzwischen mit Kabarettpreisen überhäufte Catena einfach viel zu gut.

Ohne Publikumsanmache sprang der Funke blitzartig über. Was gewiss auch daran lag, dass die Kabarettistin Grenzwertiges mit teils abgrundtiefer Boshaftigkeit zerpflückte, dabei aber nie Grenzen überschritt. So ist es ein schöner Gedanke, sich Donald Trump auf dem kommenden Davoser Weltwirtschaftsforum als Wirtschaftsflüchtling vorzustellen, der "aus einem mittellosen Land" angereist kommt und der Schweiz nun "auf der Tasche liegt". Und ja, Wirtschaftsflüchtlinge sind für Catena auch all jene, die in die Schweiz vor dem IS - dem immensen Steuerbescheid - flüchten. Da mag das Lachen im Halse stecken bleiben, wie bei so manch anderer kluger Querdenkerei: Kann man vom Beruf der Satirikerin leben? "Ja, es sei denn, man arbeitet bei Charlie Hebdo". Mitarbeiter des französischen Satiremagazins wurden bekanntlich vor drei Jahren Opfer eines Terror-Attentats. Da ist Catenas Antwort auch eine Form des Erinnerns und des Mahnens. Auf verschlungenen Wortpfaden mäanderte sie weiter Richtung Medienhysterie - inklusive einer etymologischen Kurzlektion über die Herkunft des Wortes Hysterie. Das bedeutet im Altgriechischen "Gebärmutter". In der Antike sei man davon ausgegangen, selbige müsse regelmäßig mit Samen gefüttert werden, sonst wandere sie ins Hirn und richte dort großen Schaden an.

Auch die Frage, wie es um die hochgelobte direkte Demokratie der Schweizer bestellt ist, ist Catena einen Exkurs wert. Die direkte Demokratie lasse sich mit einem Fondue vergleichen: "Es geht immer um irgendwelchen Käse. Jeder Bürger darf ein bisschen drin rumrühren, und zum Schluss haben wir alle Bauchweh." Bauchweh ist auch ein gutes Stichwort in Sachen Alternative für Deutschland (AfD). Die möge sich doch bitte einmal vorstellen, wie das von ihr gepriesene Schweizer Vorbild funktioniere: Nämlich so, als würden fünf Wölfe und ein Schaf über das gemeinsame Abendessen diskutieren, vulgo, wer wen frisst. Der typisch schweizerische Kompromiss: Alle einigen sich darauf, dass es Rösti für alle gibt. Von der AfD ist für Catena der Weg naturgemäß nicht weit zum Extremismus. "Extremisten können alles, nur nicht lachen", sagt sie. Und empfiehlt Humor "als stärkste Waffe gegen Ideologen". Ob das funktioniert, sei mal dahingestellt. Was aber funktionieren könnte, ist der "Phrasomat", den Catena vorführt. Ein paar Satzbausteine auf bunten Zetteln und die entsprechende Gestik genügen - und schon wird aus der Kabarettistin eine wahlkämpfende oder grundsatzredende Vertreterin der Politikerkaste. Einfach köstlich.

So köstlich wie Catenas Idee, wie es den "Wir sind das Volk" schreienden Pegida-Anhängern bei den überaus höflich formulierenden Schweizern ergehen könnte: "Entschuldigung, wir wollten sagen, dass wir eigentlich das Volk sind, wenn's Ihnen nichts ausmacht". Da hätten die Schreihälse kaum eine Chance, glaubt Catena. Fazit des Abends: Grenzen sind es wert, offen zu bleiben, im realen Leben und in der Welt des Kabaretts.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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