Langengern:Langengerner Straßenkampf

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Die 50 Einwohner des Dorfs in der Gemeinde Erdweg wollen verhindern, dass sie für den Ausbau der historischen Römerstraße 50 000 Euro und mehr zahlen müssen

Von Wolfgang Eitler, Langengern

Die 50 Einwohner des beschaulichen Straßendorfs Langengern, an der historischen Römerstraße von Passau nach Augsburg gelegen, fechten gerade einen Kampf aus, wie er für ganz Bayern exemplarisch ist. Sie sollen sich an dem Ausbau der Straße beteiligen, die von Adelzhausen nach Unterweikertshofen führt. Sie müssen für ungefähr 600 Meter in ihrem Ort mit Beiträgen pro Anwesen rechnen, die bei 50 000 Euro und darüber liegen. Unter den Langengernern sind Familien, die ihre Altersvorsorge auflösen müssten, falls die Gemeinde Erdweg, zu der das Dorf gehört, keine andere Lösung findet. Das Dorf wappnet sich für den Aufstand. Gemeinderat Helmut Steiner sagt: "Wir werden klagen, wenn die Bescheide so eingehen, wie jetzt zu befürchten ist."

Ortstermin, Langengern, Donnerstagabend, 19 Uhr: Die Fahrt in den Weiler führt vorbei an Biotopen, wunderbaren Wiesen und wild wachsenden Bäumen. Man ist fast enttäuscht, dass sich das Idyll im Dorf nicht in einer Allee fortsetzt, sondern zu einem nüchternen Weiler mit Gewerbebetrieben verändert. Aber der erste Eindruck täuscht. Auf den zweiten Blick sieht man, wie sich alle Häuser straßenabgewandt nach Süden Richtung Wald erstrecken. Deswegen sagt beispielsweise die Langengernerin Simone Steiner, die am Rathaus von Röhrmoos tätig ist: "Hier lebt es sich vortrefflich."

Aber die Stimmung bei der Ortsbegehung vor dem Gasthof Schmaus, dessen Geschichte bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, ist enorm angespannt. Erdwegs Bürgermeister Georg Osterauer (Freie Wähler) muss die Redner ständig beruhigen. Bürger regen sich darüber auf, dass die Straße zum Kieswerk und zur historischen Marienkapelle in Geiselwies heftig staubt. Dann kritisiert einer, dass die Gemeinde über die Schaukästen nicht ausreichend genug informiert. Schließlich ärgert sich ein anderer darüber, dass das Verbotsschild für Lastwagen mit mehr als sechs Tonnen auf der Hauptstraße, eben der Römerstraße, nicht einsehbar ist. Es wird durch einen Spalierbaum verdeckt. An diesem Punkt der Diskussionen haben sich die Langengerner ausreichend warm geredet, um auf das zentrale Anliegen zu kommen und damit auf den eigentlichen Grund für die angespannte Gefühlslage.

Vor fünf Jahren hatte der Gemeinderat Erdweg beschlossen, die Römerstraße zu sanieren und zu erweitern. Die Bauarbeiten sind nicht ganz abgeschlossen, weshalb die Kämmerei die genauen Kosten noch nicht berechnet hat. Aber die Langengerner wissen bereits, nach welchem Schlüssel sie beteiligt werden sollen. 60 Prozent übernimmt die Gemeinde und 40 Prozent zahlen sie. Das macht im Falle der Familie Hartmaier mit einem kleinen bäuerlichen Anwesen für Geflügelzucht ungefähr 50 000 Euro. Michael Hartmaier ist als Lagerist bei der Baywa tätig. Er hat vier Kinder. Aufgeregt und verzweifelt sagt er: "Ich muss meine von mir angesparte Altersversorgung auflösen."

Bürgermeister Osterauer befindet sich in einer verzwickten Lage. Denn vor fünf Jahren war er noch nicht im Amt. Er wurde erst 2013 gewählt. Der Name seines Vorgängers Michael Reindl nimmt bei der Ortsbegehung niemand in den Mund. Es heißt nur abfällig gegenüber Osterauer: "Ihr Vorgänger, Sie wissen schon." Für die Langengerner ist Reindl der Schuldige. "Wir wurden von ihm falsch informiert." Er habe zu dem Ausbau samt Gehweg geraten, weil höhere staatliche Zuschüsse zu erwarten seien. Die Vorhersage sei zwar eingetroffen. Aber allein der Kostenbetrag der Gemeinde habe sich reduziert.

Michael Reindl widerspricht. Der SZ sagt er am Freitag: "Das staatliche Straßenbauamt hat den Ausbau vorgegeben." Daran habe er sich zu halten gehabt. Er hätte es vorgezogen, dass die Gemeinde die gesamten Kosten übernimmt. Das Landratsamt Dachau habe ihn aufgefordert, die vom Freistaat erlassene Straßenausbausatzung anzuwenden. Ihm sei sogar gesagt worden, dass er mit einem Verfahren wegen "Veruntreuung" zu rechnen habe, falls er sich weigere.

Die Römerstraße in Langengern entspricht dem historischen Verlauf, wie sie die Römer von Passau nach Augsburg angelegt haben. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dem Pressesprecher des bayerischen Innenministeriums, Stefan Frey, kommt die Diskussion in Langengern vor wie eine Neuauflage der Landtagsdebatte vom 15. Juli, als die Abgeordneten die Straßenausbausatzung nochmals berieten. Was ist Anliegern zumutbar? Wann muss eine Gemeinde in ihrer Gesamtheit aufkommen und nicht nur die Anwohner? Der Kompromiss des Landtags sieht so aus: Es bleibt bei der Beitragssatzung. Aber die einzelnen Gemeinden verfügen künftig über größere Spielräume bei der Entscheidung, wer zahlen muss. So könnten sie beispielsweise den Umgriff erweitern, so dass mehrere Ortsteile einbezogen sind.

Ganz entscheidend für die Kalkulation ist der rechtliche Charakter der jeweiligen Straße. Die Langengerner wundern sich, dass die Verwaltung in Erdweg ihrer Straße einen Anliegerstatus zugesprochen hat. Sie gilt somit als öffentliche Straße mit dem Charakter eines Eigentümerwegs. Und das bei einer Ortsdurchfahrt mit täglich 1500 bis 2000 Autos. Bei der Ortsbegehung hieß es, dass das Landratsamt diese Einstufung empfohlen habe. Pressesprecher Wolfgang Reichelt widerspricht. Er teilt der SZ offiziell mit: "Zuständig bei Straßen innerhalb einer Gemeinde, die nicht als Kreisstraße oder Staatsstraße geführt werden, ist ausschließlich die jeweilige Gemeinde."

Bürgermeister Osterauer versichert in Langengern zum Schluss, bevor er sich auf sein E-Bike schwingt, dass er die gesamten Angelegenheit umfassend prüfen will: "Ich muss mir alles nochmals genau anschauen." Da kommt viel Arbeit auf ihn zu. Falls er die Straße als Gemeindeverbindung einstufen lässt, müssten die Anlieger nur noch 20 Prozent der Kosten übernehmen. Falls Osterauer und der Gemeinderat den neuen gesetzlichen Spielraum ausreizen, könnte es sogar zu einer Art neuer Grundsteuer in der Gemeinde kommen, die bei 100 bis 200 Euro pro Bürger liegen würde.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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