Kritik an Produktionsquote:"Auch auf dem Milchmarkt droht eine Krise"

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Enge Verbundenheit zwischen Landwirt und seinen Kühen: In kleinen Betrieben wie dem von Martin Kiening bleibt noch Zeit für die einzelnen Tiere. (Foto: Toni Heigl)

Bauern können seit dem 1. April wieder soviel Milch produzieren, wie sie für richtig halten. Landwirt Martin Kiening sieht diese Entwicklung mit großer Sorge und fürchtet um den Bestand kleinerer Betriebe

Interview von Maurice Stiehl

Seit Jahren war klar, dass die 1984 eingeführte Milchquote europaweit zum 1. April 2015 abgeschafft werden würde. Überproduktionen werden nun nicht mehr geahndet und alle überschüssige Milch wird auf dem Weltmarkt zu schwankenden Preisen verkauft. Während der Bauernverband sich über das Ende der Quote freut, ist der Bund deutscher Milchviehhalter (BDM) skeptisch. So auch Martin Kiening, Vorstand der BDM-Kreisgruppe. Der 55-Jährige hält in Niederroth 70 Milchkühe. Im Interview erklärt er den Sinn der Milchquote und warnt vor den Gefahren des freien, ungeregelten Marktes.

SZ: Welche Bedeutung hatte die Milchquote für sie?

Martin Kiening: Die Milchquote bildete für uns Landwirte einen finanziellen Gegenwert, eine Absicherung für die Zukunft. Sie war unser Marktzugang, ein fester Marktanteil, mit dem wir planen konnten.

Trotz Milchquote gab es aber erhebliche Preisschwankungen.

Das geht auf eine verfehlte Politik zurück, das Instrument Milchquote ist falsch gehandhabt worden. Der Staat hätte den Preisverfall durch ein Rückfahren der Quote verhindern können, stattdessen wurden die zulässigen Produktionsmengen weiter erhöht.

Aus welchem Grund gab es die Milchquote und warum wurde sie abgeschafft?

Ich sehe keinen vernünftigen Grund, warum sie abgeschafft wurde. Durch die Quote lag die Mengensteuerung der Milchproduktion in staatlicher Hand. Der Staat konnte das Angebot an die tatsächliche Nachfrage anpassen und die Preise stabil halten, indem jeder Landwirt eine feste Menge zugeteilt bekam, die er produzieren durfte. Wer zu viel produzierte, musste Strafabgaben zahlen.

Wie wird sich die Situation der Landwirte in Zukunft entwickeln?

Die Tendenz geht hin zu immer größeren Betrieben, da nun unbegrenzt viel produziert werden kann und diese die Einbußen besser verkraften. Die Politik sagt zwar, dass sie kleinere Familienbetriebe erhalten will, viel tut sie aber nicht dafür. Immer mehr werden zur Aufgabe gezwungen werden, weil sie sich nicht mehr rentieren. Im Landkreis Dachau haben wir überwiegend mittlere Betriebe, die etwa 40 bis 80 Kühe halten. Wie viel Geld wir für die Milch in Zukunft bekommen, kann niemand genau sagen. Uns wurde prophezeit, dass der Preis nach unten gehen wird. Aktuell hat sich noch nicht viel am Preis verändert und die Situation ist stabil, aber langfristig werden wir unser blaues Wunder erleben.

Woran machen sie diese Gefahr fest?

Noch können wir die Milch in alle Welt exportieren, die Konkurrenz aus Ländern wie China wird aber immer größer. Dort werden riesige Ställe mit Zehntausenden Kühen gebaut, aufgrund der Größe der Betriebe und geringerer Qualitätsstandards werden deren Produkte günstiger sein. Langfristig wird der Export nicht funktionieren, auf dem unregulierten Markt wird es zu Spekulationen und Überproduktionen kommen. Angela Merkel sagte 2009 in einem Radiointerview über die Finanzkrise, dass sie die Folge ungeregelter Märkte sei. Diese Einschätzung trifft auf jeden Markt zu, auch dem Milchmarkt droht eine Krise.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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