Kommentar:Stadtrat düpiert Bürger

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Die Stadtpolitiker haben das Signal gegeben: Die wichtigen Entscheidungen treffen wir allein

Von Viktoria Großmann

Die Bürger haben die Planungen für das MD-Gelände offensichtlich besser verstanden als viele Stadträte. Dass sie viele der Fragen, die ihnen die Stadt gestellt hatte, nicht oder vage beantwortet haben, heißt auch, dass die Fragen nicht die richtigen waren oder falsch formuliert. Die Bürger, das sagten einige während der Planungswerkstatt deutlich, interessieren sich nicht dafür, wo genau die Kindergärten gebaut werden. Sie wollen wissen, ob ein Beschluss zur sozialgerechten Bodennutzung kommt. Vor allem aber haben viele Bürger signalisiert, dass sie den bestehenden Entwurf grundsätzlich gut finden. Was aber tun die Stadträte? Sie beschließen nonchalant eine wesentliche Änderung. So wesentlich, dass die Architekten erklären, den gesamten Entwurf überarbeiten zu müssen.

Ob dieser Beschluss trotzdem gut ist oder nicht, darüber kann man verschiedener Meinung sein. Für beide Varianten gibt es ausreichend Argumente. Genau deshalb kann so eine Entscheidung nicht innerhalb von wenigen Minuten im Stadtrat gefällt werden. Tatsächlich wurde über jede andere Frage länger diskutiert, als über diese, von der die Bürger gar nichts ahnten. Dieser Punkt hätte aber ein zentrales Element der Bürgerbeteiligung sein müssen und gehört nicht hinten herum auf die Beschlussvorlage für die Stadtratssitzung.

Der neue Beschluss ändert alles: den Entwurf, den Zeitplan - und vermutlich die Einstellung der Bürger zu Bürgerbeteiligungen. Sie haben sich eingebracht, sich eingearbeitet, sich vom Fragenkorsett der Stadt emanzipiert und grundsätzlich, sachlich diskutiert. Eine ihrer größten Sorgen war, am Ende doch nicht gehört zu werden. Das ist nun zum Teil eingetreten. Die Stadtpolitiker haben das Signal gegeben: Die wichtigen Entscheidungen treffen wir allein. Die Bürger können nun antworten: Wir vertrauen euch nicht!

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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