Kommentar:Schönreden lässt sich das Problem nicht

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Eine wachsende Zahl von Rentnern im Landkreis ist von Altersarmut betroffen. Die Behörden sehen das jedoch eher entspannt - bis der Armutsbericht vorliegt. Spätestens dann muss die Politik reagieren

Von Moritz Köhler

Da kommt auf die Kommunen noch einiges zu: Schon jetzt leben im Landkreis zahlreiche Rentner am Existenzminimum. 543 Menschen empfangen Grundsicherung im Alter - auch bekannt als "Alters-Hartz IV". Die Zahl derer, die das Geld bitter nötig hätten, sich aber aus Scham nicht an die Behörden wenden wollen, dürfte deutlich höher liegen. Das vermuten jedenfalls die Experten, die einen tiefen Einblick in die Situation haben. Die Zahl der Bedürftigen nimmt seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich zu - und das in einem reichen Landkreis wie Dachau. An dieser Entwicklung ist die Kommunalpolitik - ganz zu schweigen von Bund und Land - zum Teil selbst schuld, weil sie es versäumte, ausreichend bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Neben den im Bundesvergleich ohnehin hohen Lebenshaltungskosten sind es vor allem die steigenden Mietpreise auf dem freien Markt, die schon einen Großteil der Renten verschlingen.

Nebenbei gesagt: Die Kommunalpolitik sollte gegen Vermieter auftreten, die alte Menschen loshaben wollen, weil sie nicht mehr so zahlungskräftig sind. Ein weiteres Indiz für die wachsende Altersarmut ist die steigende Auslastung der Betreuer und Berater der Caritas. Das Problem wird sich in den kommenden Jahren nicht von selbst lösen. Im Gegenteil: Bald werden die "Baby-Boomer" ihre Rente beantragen. Seit Jahren warnen Experten davor, dass der demografische Wandel Deutschlands Rentner direkt in die Altersarmut führen wird. Um so unverständlicher ist die Reaktion aus dem Landratsamt: Alle, so heißt es, würden über die Runden kommen. So kann man sich das Problem der Altersarmut schönreden. Und wenn viele Rentner versuchen, ihre Finanzen durch Minijobs aufzubessern, betrachtet die Behörde das so: "Viele Rentner arbeiten auch, um fit zu bleiben." Ein Satz, der in den Ohren der Betroffenen fast schon zynisch klingen muss. Immerhin, das Landratsamt hat das Caritas-Zentrum beauftragt, einen Armutsbericht für den Landkreis zu erstellen. Das könnte ein erster Schritt in die richtige Richtung sein - nur bringt das Zahlenwerk nichts, wenn der politische Wille für eine Veränderung fehlt.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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