Kommentar:Niedergang mit fatalen Folgen

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Mit dem Betriebsschluss bei Schuster Karton geht im Landkreis die Tradition der Papierherstellung zu Ende. Nun muss die Gemeinde nur aufpassen, dass der Industriestandort nicht ebenfalls zur Brache verkommt

Von Wolfgang Eitler

Der frühere Oberbürgermeister der Stadt Dachau, Kurt Piller (ÜB), hatte Ende der Neunzigerjahre vergeblich versucht, das Feinpappenwerk Schuster mit damals 150 Mitarbeitern auf dem Gelände an der Schleißheimer Straße zu retten. Dem Käufer des Dachauer Unternehmens gestand er zu, eventuelle Bauvorhaben großzügig zu genehmigen. Die Vorgehensweise des Eigentümers erwies sich als ein Lehrstück darüber, wie man sich einen Betrieb einverleibt, gegen die Wand fahren lässt und mit dem Crash noch jede Menge Geld verdient. Die Industrieruine steht bis heute.

Etwa acht Jahre später stand Pillers Nachfolger, Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU), vor einem ähnlichen Problem mit dem finnischen Konzern Myllykoski, dem damaligen Eigentümer der MD-Papierfabrik Dachau direkt neben der Altstadt. Auch er versuchte es mit Konzilianz und Ideen für ein neues Wohnquartier. Myllykoski zog mit. Aber man weiß nicht, was passiert wäre, wenn im Jahr 2007 der damalige Verhandlungsführer Andreas Obermeyer als Vertreter des Eigentümers nicht bei einem Ski-Unfall ums Leben gekommen wäre. Danach zündeten die Ideen einer schnellen Konversion bei Myllykoski nicht mehr. Obermeyer hatte ernsthaft die Idee verfolgt, ein Projekt aus einem Guss gemeinsam mit dem Stadtrat zu schaffen. Die Immobilien- und Finanzkrise kurz danach tat dann ihr übriges.

Seitdem erinnert nur eine weitere Industriebrache an die große Zeit der Papier- und Kartonproduktion in Dachau, die ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Und jetzt besiegelt die Insolvenz von Karton Schuster in Hebertshausen, der letzten verbliebenen Produktionsstätte der einstigen Dachauer Dynastie der Familie Schuster, das Ende der Papierindustrie im Landkreis Dachau. Bürgermeister Richard Reischl (CSU) will sich die Dachauer Probleme mit der Konversion der beiden Industriegelände zum warnenden Vorbild nehmen, damit ihm ein Niedergang mit fatalen Folgen erspart bleibt. Er kündigt schnelle Lösungen für das Areal an. Es soll weiterhin ein Gewerbegebiet bleiben.

Von der Dachauer Industriegeschichte wird, wenn alles gut geht, nur ein Papiermuseum auf dem MD-Gelände bleiben. Der Bezirk Oberbayern plant es, um wenigstens die Erinnerungen bewahren zu helfen.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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