Kommentar:Kunst, nur wenn sie nützt

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Unter Landrat Hansjörg Christmann wurde ernsthafte Kulturpolitik betrieben. Jetzt mussdie Kunst mehr und mehr als Mittel zum polischen Zweck herhalten

Von Wolfgang Eitler

Bisher schwelt unter Künstlern und Freunden der bildenden Kunst quer durch den Landkreis nur so ein leichtes Unbehagen, so ein leiser Verdacht, dass die Beziehungen zwischen der Kultur und der Politik des Landkreises sich gerade grundlegend verändern. Zur Amtszeit von Landrat Hansjörg Christmann (CSU) hatte sich der Kontakt nach teils intensiven Diskussionen zu einem Verhältnis auf Augenhöhe und gegenseitiger Achtung entwickelt. Jetzt sind die Vertreter der bildenden Kunst nicht einmal mehr Teil der offiziellen Dachauer Delegation, die zum Friedensfestival nach Oświęcim und in die KZ-Gedenkstätte Auschwitz nächste Woche fährt.

Die Direktoren der Gymnasien sind dabei, auch Vertreter des Kreisjugendrings und zahlreiche Jugendliche. Es fehlen diejenigen Persönlichkeiten, denen der enge Kontakt zwischen den beiden Städten und Landkreisen zu verdanken ist, die ihn mühsam und erfolgreich aufgebaut haben. Sonst wäre der Partnerschaftsvertrag zwischen dem deutschen und polnischen Landkreis vor einem Jahr nie möglich gewesen.

Seltsam ist auch, dass der Kreistag gerade mal einen Fahrkostenzuschuss gewährt, damit die Werke der vier Künstler Heiko Klohn, Annekathrin Norrmann, Florian Marschall und Wolfgang Sand überhaupt an die Internationale Jugendbegegnungsstätte gelangen können. In vornehmer Bescheidenheit hatten die Künstler nicht mehr verlangt. Aber ein Unkostenbeitrag als Ausstellungshonorar war früher eine Selbstverständlichkeit. Wenn die polnische Seite die vier nicht eingeladen hätte, wäre die Kunst komplett außen vor geblieben.

Ein solches Versäumnis von Dachauer Seite nährt den Verdacht, dass Kunst und künstlerische Ereignisse allmählich funktional auf die Stufe dekorativer Inszenierungen des Landkreises herabgestuft werden könnten. Für die Partnerschaft mit Oświęcim braucht man halt die Kunst nicht mehr. Die Funktion als Türöffner hat sie hinreichend erfüllt.

Ein Indiz für eine beginnende rein zweckrationale Betrachtung der Kultur vermittelte der Empfang zur Eröffnung der Georg-Baselitz-Ausstellung vor zwei Wochen. CSU-Landrat Stefan Löwl und der CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath gebärdeten sich als Empfangskomitee vor dem Dachauer Schloss, als handelte es sich drinnen um eine Veranstaltung des Landkreises. Verantwortlich war aber die Volksbank-Raiffeisenbank. Dazu leistete sich der Landrat noch einen Versprecher und würdigte in der Rede das Engagement der kommunalen Sparkasse, deren Vorsitzender des Verwaltungsrats er ist.

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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