Kommentar:Kampf gegen Windmühlen

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Die Gesundheitspolitik im Landkreis ist ein Paradebeispiel für jene Demokratieentleerung, die von Politikern und Experten als bedrohlich für die gesamte Republik angesehen wird.

Von Wolfgang Eitler

Die Strategie, welche die Gesundheitspolitik des Bundes den Kliniken in ganz Deutschland aufzwingt, ist stets die gleiche. Sie müssen lukrative medizinische Leistungen anbieten, und sie müssen gleichzeitig darauf achten, dass sie die Kosten senken. Egal, ob ein Krankenhaus kommunal, kirchlich oder privat geführt wird. Konzerne wie Helios oder Asklepios können solche betriebswirtschaftlichen Prozesse wesentlich besser steuern als kommunale. Sie sind größer und verfügen durch ihre Stärke über eine ganz andere Einkaufspolitik als kleine Häuser. Helios ist europaweit der größte Konzern von allen. Diese Macht spielt er in Dachau gerade locker lässig aus, indem er die Kreispolitik ignoriert oder als lächerlich marginalen Partner toleriert.

Insofern muten die Proteste der Belegschaft in Dachau wie der Kampf gegen Windmühlen an. Diesen Eindruck verstärkt die Kreispolitik, indem sie sich überhaupt nicht über den Pflegenotstand aufregt (Landrat Stefan Löwl von der CSU), ein wenig (die CSU-Fraktion) oder heftiger (die Freien Wähler oder die Grünen). Proportional zur Wortwahl wächst der Eindruck der Hilflosigkeit. Meist münden die Stellungnahmen in das Eingeständnis, dass der Kreistag keine Chance habe, sich in "laufende Geschäfte" einzumischen. Deswegen ist das Gremium nicht mal fähig, geschlossen für einen Pflegeschlüssel als Teil eines Tarifvertrags zu werben. Man will sich nicht einmischen. Tagesgeschäft, Tarifautonomie oder so.

Die gesamte Gesundheitspolitik der vergangenen 27 Jahre, seit dem finanziellen Desaster von 1990, lässt sich unter dem Titel der gezielten Selbstentmachtung zusammenfassen. Zum Hintergrund: Systematisch baute der Landkreis die Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf zur Aktiengesellschaft auf, bis sie reif für den Verkauf war. Schließlich wurden die Kreisräte politisch durch die Mär unter Druck gesetzt, die kleine Klinik in Indersdorf sei nur noch mit einer Übernahme der Mehrheitsanteile durch einen finanziell potenten Partner zu retten.

Die Kreisräte sind zu politischer Kontrolle oder gar Gestaltungswillen nicht mehr imstande. Stattdessen bedauern sie ihre Ohnmacht und heischen um Verständnis für die eigenen Fehler der Vergangenheit - die Mehrzahl im Kreistag ist seit Jahrzehnten dabei. Insofern ist die Gesundheitspolitik im Landkreis ein Paradebeispiel für jene Demokratieentleerung, die von Politikern und Experten als bedrohlich für die gesamte Republik angesehen wird. Der Bürger wählt. Die Mandatsträger ducken sich und parlieren im Konjunktiv, was man alles können müsste, aber irgendwie nicht dürfe.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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