Kommentar:Jetzt geht es um Integration

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Die Flüchtlingshilfe verändert sich gerade grundlegend, weg von der Sofort-Nothilfe hin zu der sehr viel anspruchsvolleren Aufgabe der Intergration

Von Gregor Schiegl

Die Euphorie ist verflogen, aber auch die Hysterie hat sich gelegt. Mehr als ein Jahr lang schon leben die Bürger mit mehr als Tausend Flüchtlingen im Landkreis Seite an Seite, und im Großen und Ganzen sind die Erfahrungen nicht schlechter als mit deutschen Nachbarn - nur eben anders. Zur Beruhigung der Lage hat sicher auch beigetragen, dass es nicht mehr ständig Polizeieinsätze wegen Krawallen in Traglufthallen gibt. Diese Massenunterkünfte haben Stress verursacht und Aggressionen geschürt. Und diese Unterkünfte sind verzichtbar geworden: Die Flüchtlingszahlen sinken.

Das ist zunächst einmal positiv, weil kommunale Verwaltungen, Sozialverbände und ehrenamtliche Helfer zu Spitzenzeiten oft mehr leisten mussten als sie konnten. Erfreulich ist, dass sich die Zivilgesellschaft im Landkreis Dachau noch immer für Flüchtlinge engagiert - trotz Anfeindungen von Leuten, die sich lieber selber bemitleiden als anderen zu helfen, trotz persönlicher Enttäuschungen, wenn ein Schützling, der gerade Fuß gefasst hat, abgeschoben wird.

Allerdings verändert sich die Art der Hilfe gerade grundlegend - weg von der Sofort-Nothilfe hin zu der sehr viel anspruchsvolleren Aufgabe der Integration der Flüchtlinge: Sprachkenntnisse, ein Job und eine eigene Wohnung, das sind die Hürden, die anerkannte Flüchtlinge nun nehmen müssen, um hier auch heimisch zu werden. Die Sprache zu erlernen ist schwer, aber für jeden, der willens ist, machbar. Bei der zweiten Hürde sieht es schon anders aus: Zwar gibt es kaum Arbeitslosigkeit im Landkreis und sogar viele offene Stellen, aber kaum welche für ungelernte Kräfte. Unter den Flüchtlingen gibt es durchaus Spitzenkräfte, aber nicht jeder bringt ein Ingenieur-Diplom mit. Hier müssen Betriebe mehr in Weiterbildung investieren. Sie brauchen aber auch die Gewissheit, dass diese Leute bleiben.

Das größte Problem ist aber ein politisches: der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Boom-Region Dachau. Vor diesem existenziellen Problem stehen nicht nur Flüchtlinge, sondern alle, die keine Hausbesitzer sind und keine Großverdiener. Soll die Integration gelingen und der gesellschaftliche Friede gewahrt werden, müssen die Kommunen jetzt schnell aufholen, was sie in der Vergangenheit oftmals über Jahrzehnte hinweg sträflich versäumt haben.

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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