Kommentar:Gefangen im Misstrauen

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Mit ihrer Maximalforderung null Gewerbe, hundert Prozent Natur geht die Bürgerinitiative Grünzug Dachau Karlsfeld ein hohes Risiko ein

Von Gregor Schiegl

Im Dezember 2010 erlebte die Gemeinde Karlsfeld ein Debakel. Das Ratsbegehren um die Ausweisung eines Gewerbegebiets im Regionalen Grünzug hatte sie verloren - und zwar krachend. Mit einer Brachialplanung, die allein den ökonomischen Nutzen im Blick hatte, brachte die Kommune viele Bürger gegen das Projekt auf. Kritische Einwände wurden weggebügelt, man hatte ja alle formalen Vorgaben eingehalten. Viele hatten den Eindruck, der Gemeinderat habe es sich mit seinen Planungen doch arg einfach gemacht. Die Quittung kam umgehend. Erst danach folgte die umfassende Diskussion.

Das Ergebnis sind nun wieder Planungen für ein Gewerbegebiet im Grünzug, das aber deutlich kleiner sein soll, und einem Landschaftsschutzgebiet, das die Tür für weiteren Flächenfraß im Moos ein für allemal schließen soll. Was auf dem Tisch liegt, wäre eine gute Grundlage für einen Kompromiss. Aber nun macht die Bürgerinitiative genau dieselben fatalen Fehler, die 2010 die Gemeinde gemacht hat. Sie tritt mit einer völlig einseitigen Betrachtungsweise an, in der so etwas wie eine Güterabwägung nicht einmal ansatzweise stattfindet. Und sie operiert mit Maximalforderungen: null Gewerbe, hundert Prozent Natur. Ob sie mit dieser Radikalposition ihre Chancen erhöht, eine Mehrheit hinter sich zu bringen, ist zu bezweifeln.

Die Aktivisten der Bürgerinitiative sind Gefangene ihres eigenen Misstrauens. Dass CSU und SPD den Schutz der verbliebenen Moosflächen aus einem anderen Grund vorantreiben könnten, als um den Widerstand gegen ein Gewerbegebiet zu brechen, können sie sich gar nicht mehr vorstellen. Deswegen sehen sie auch ihre eigenen Erfolge nicht. Der Diskurs, den sie 2010 angestoßen haben, hat das ökologische Bewusstsein der Karlsfelder geschärft. Mit ihrem Konfrontationskurs setzt die Initiative nun auf alles oder nichts. Das ist ein sehr riskantes Spiel.

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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