Kommentar:Gebrochenes Versprechen

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Eine Flüchtlingspolitik, die um Obergrenzen und Abschiebeverfahren streitet, verliert das Wesentliche aus den Augen: Die Notwendigkeit der Unterbringung der Schutzsuchenden. Zu sehen ist das am Beispiel der Kufsteiner Straße

Von Helmut Zeller

Mehr als eine symbolische Geste kann die Entscheidung des Runden Tisches gegen Rassismus nicht sein. Aber sie wirft doch ein bezeichnendes Licht auf die bundesweite Debatte über Flüchtlinge: Politiker jedwelcher Couleur überbieten sich mittlerweile, auf die Stimmung im Lande oder was sie dafür halten reagierend, mit Vorschlägen zur Begrenzung des Flüchtlingszugangs. Die eigentliche Aufgabe in der momentanen Situation, die Unterbringung und Integration der Asylsuchenden im Land, gerät dabei fast aus den Augen. Die Kommunen, die das vor allen anderen leisten müssen, stehen allein. Dafür ist die Kufsteiner Straße ein gutes Beispiel: Sie wäre der geeignete Standort für die Unterbringung von Flüchtlingen - natürlich nicht wie seit Jahrzehnten in menschenunwürdigen Baracken, sondern in einem Neubau.

Der Landkreis sucht händeringend nach Asylunterkünften, aber den Pachtvertrag für das Areal hat die Bezirksregierung gekündigt, eine kurzsichtige Entscheidung wegen läppischer eintausend Euro im Monat. Das Argument, der Staat könne einem privaten Eigentümer nicht jede geforderte Summe bezahlen, sticht in diesem Fall nicht. Schließlich ging er, wie die SPD sagt, weit unter den Pachtzins, den er bisher vom Staat bezahlt bekommt. Aber der eigentliche Punkt ist ein anderer: Bayerns Ministerpräsident hat Dachau einen Neubau für die Asylsuchenden versprochen - und das lange bevor eine Million Flüchtlinge in Deutschland Schutz suchten. Die Kündigung des Pachtvertrags, der Eindruck drängt sich auf, soll das Versprechen Seehofers vergessen machen, sonst würde man ja erkennen, was sein Wort wert ist.

Diese Flüchtlingspolitik, die um Obergrenzen und Abschiebungsverfahren streitet, verliert auch die eigentlich Betroffenen aus den Augen. Mehr als einhundert Menschen, darunter viele Familien mit Kindern, haben Angst. Sie erfuhren nur, dass sie im Mai das Sammellager räumen sollen, wissen aber nicht, wohin sie gebracht werden. Diese Politik produziert auch Obdachlosigkeit: Zwölf anerkannte Asylsuchende, darunter alleinerziehende Mütter, werden auf der Straße stehen. Sie finden auf dem freien Wohnungsmarkt kein Heim - und die Stadt Dachau hat keine Unterkünfte mehr frei.

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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