Kommentar:Ein starkes Zeichen

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Eine nie dagewesene Massenkundgebung in Dachau gegen die AfD lässt zwar hoffen, aber zerstreut nicht alle Ängste vor einem Wahlsieg der Rechtspopulisten

Von Helmut Zeller

Eine derart machtvolle Demonstration hat Dachau schon seit langen Jahren nicht mehr erlebt. Ältere Teilnehmer erinnerten sich an die früheren Massenkundgebungen gegen die dritte Startbahn für den Großflughafen, und die fanden nicht in der Stadt Dachau, sondern in München statt. Nach der Landeshauptstadt haben auch die Dachauer Bürger ein starkes Zeichen gegen ein völkisch-nationales Deutschland gesetzt, wie es von Teilen der AfD propagiert wird. Fremdenhetze, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus haben in Dachau keinen Ort, möchte man nach diesem Sonntag meinen. Ob es nun wirklich so ist, werden die Wahlergebnisse am 14. Oktober, dem Tag der Landtagswahl, zeigen. In der Bundestagswahl 2017 hat die rechtspopulistische AfD im Landkreis mehr als zwölf Prozent der Wählerstimmen bekommen, gerade auch in der Dachauer Altstadt schnitt die Partei gut ab. Vier Jahre zuvor lag sie im Landkreis noch bei fünf Prozent.

Ernst Grube hat Recht: Es sind Politiker der CSU, allen voran Bundesinnenminister Horst Seehofer, die mit ihrer desaströsen Flüchtlingspolitik die Rechtspopulisten erst stark gemacht haben, weil sie Ängste in der Bevölkerung schüren. Wer so agiert, muss sich dann auch gefallen lassen, dass der AfD-Landtagskandidat der CSU vorwirft, bei seiner Partei abzuschreiben. Deshalb ist Seehofer, wie das der Kreisvorsitzende gleich zum Veranstaltungsbeginn deutlich machte, beliebt bei der AfD. Nur bringt es bei deren Wählern der CSU keine Stimmen: In den Umfragen ist die CSU auf 36 Prozent gesunken - und deshalb sprach Beatrix von Storch, die sich in ihrer Rede vergleichsweise moderat gab, am Rande der Veranstaltung schon mal ziemlich siegesgewiss. Nicht nur die AfD selbst rechnet in Bayern und Dachau mit einem zweistelligen Wahlergebnis. "Die bundespolitische Bedeutung der CSU ist dahin", sagte Beatrix von Storch.

Über die Verschiebung des Machtgefüges können sich die politischen Gegner der CSU in Bayern nicht freuen, nicht um diesen Preis. Die Kundgebung war das eine, die AfD hat den Bürgerwillen, der dabei zum Ausdruck kam, selbstredend nicht verstanden. Aber die CSU sollte ihre Ohren, auch die ihres Bundesinnenministers aufsperren - und nicht nur wie Ministerpräsident Söder nach den Protesten ihn München gegen Hetze in der Politik mal schnell auf eine andere Wahlkampftaktik umschalten. Denn die Mehrheit mag ein pluralistisches, weltoffenes Bayern. Auch in Dachau. Sonst war die Kundgebung am Sonntag vergebens.

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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