Kommentar:Die neue Lust am Lärm

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Dachau dröhnt aus allen Fahrzeugrohren. Rücksichtslosigkeit und Aggression dürfen aber nicht zur Norm werden

Von Gregor Schiegl

An der Kasse im Supermarkt geht es in der Warteschlange der anderen immer schneller vorwärts als in der eigenen, im Stau auf der Autobahn ist es dasselbe, und seitdem man selber erwachsen ist, verlottert die Jugend hoffnungslos. All das sind gefühlte Wahrheiten, die mehr über die eigene Wahrnehmung aussagen als über die Wirklichkeit. Bei der massiven Zunahme der Klagen über Raser in Dachau vermischen sich tatsächlich zwei Phänomene: illegale Autorennen, von denen die Polizei behauptet, es seien bloß Einzelfälle und ohrenbetäubender Motorenlärm.

Zumindest was den Lärm betrifft, ist der Befund unstrittig: Dachau dröhnt aus allen Rohren. Wer abends öfter mal an der Eisdiele am Dachauer Bahnhof unterwegs ist, kann dazu interessante Beobachtungen machen: Autofahrer geben nach dem Abbiegen aus der Augustenfelder Straße Vollgas, obwohl die Kurve am Bahnhof, 50 Meter weiter, sie sofort wieder zum Bremsen zwingt. Raserei ist das nicht, nur hirnlos, weil es Sprit frisst. Neuerdings scheint es auch in Mode zu sein, mit schadhaftem Auspuff herumzufahren und Vollgas zu geben, dass es knallt. Fehlzündungen gelten als sportlich. Und selbst Kleinwagen klingen so, als würden sie tatsächlich mal ein Ferrari werden, wenn sie groß sind. Es gibt eine neue Lust am Lärm, hemmungslos und bis zum Exzess. Am lautesten im akustischen Wettbewerb um Aufmerksamkeit sind die Motorradfahrer. Sie schöpfen die absurd weit gesteckten gesetzlichen Spielräume bis kurz vor Presslufthammerstärke voll aus - und überschreiten sie mit technischen Tricksereien teilweise sogar. Zu ihrer Verteidigung sei gesagt: Die meisten halten sich tatsächlich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit, wenigstens innerorts. Doch statt konstant Gas zu geben, haben sich viele angewöhnt, nur ab und an aufs Gas zu drücken. Aber dann volle Kanne.

Die Dachauer Polizei sollte solches Verhalten zum Anlass nehmen, die Fahrer auf die erste Grundregel der Straßenverkehrsordnung hinzuweisen. Die besagt, dass jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, "dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird". Sonst verfestigen sich Aggression und Rücksichtslosigkeit schnell zur neuen Norm.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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