Kommentar:Das Potenzial der Kritik

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Die gütliche Einigung im Streit um die Neue Mitte Karlsfeld zeigt, das Kompromisse die Dinge oft verbessern können.

Von Gregor Schiegl

Tüpferlscheißer ist kein nettes Wort, muss in der Juristerei aber keine Beleidigung sein. Im Rechtswesen machen oft feinste Details den Unterschied aus, zumal dann, wenn die Materie komplex ist wie beim Ortstermin des Bayerischen Verwaltungsgerichts in Karlsfeld. Es ging hier - wieder mal - um das Ortszentrum Neue Mitte Karlsfeld. Für den juristischen Laien, oft auch für den Experten, ist es oft kaum vorherzusehen, wie eine Streitsache ausgeht. Man darf durchaus gespannt sein, wie die noch anhängige Normenkontrollklage zu dem Projekt entschieden wird, das sowohl städtebaulich, wirtschaftlich wie politisch von enormer Bedeutung ist.

Dass Bernd Rath sich unwohl fühlt, einerseits als Kläger gegen die Gemeinde aufzutreten, deren Geschicke er als Gemeinderat mitlenkt, ist verständlich. Schaden haben seine Klagen - bislang - aber nicht angerichtet. Man muss nach derzeitigem Stand der Dinge sagen: Im Gegenteil. Die gütliche Einigung zwischen dem ehemaligen Wortführer der Neuen-Mitte-Gegner und der Investoren dürfte weit in die Breite der Bevölkerung wirken - und zwar befriedend. Weil dieser Fall exemplarisch zeigt, dass auch nach hart geführten Auseinandersetzungen um widerstreitende Interessen ein Ausgleich generell immer möglich ist. Ein Ausgleich, bei dem keiner das Gesicht verliert. Begleitet von einer unabhängigen Instanz - der Gerichtsbarkeit - sind alle Belange gegeneinander abgewogen und in eine von allen Seiten akzeptierte Balance gebracht worden.

Dass der Gemeinde das nicht selbst gelungen ist, sollte Anlass sein nachzudenken, ob die alten Mechanismen zum Interessenausgleich noch ausreichen. Noch immer wird Kritik der Bürger von vielen Kommunalpolitikern als Störfeuer wahrgenommen. Dann ist von Querulanten die Rede, von ewigen Nein-Sagern, von Wutbürgern. Und manchmal zu Recht. Aber in den meisten Fällen hat Kritik auch Substanz und Potenzial, Dinge zum Besseren zu verändern. Karlsfeld bekommt jetzt eine bessere Neue Mitte. Und das ist gut für alle.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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