Kommentar:An der zentralen Frage vorbei

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Wie das Landratsamt die Abschiebung von Fallou M. zerredet

Von Helmut Zeller

Die Stellungnahme des Landratsamtes zur Abschiebung von Fallou M. macht den tiefen Graben deutlich, der sich zwischen Helferkreisen und Behörden auftut. Die einen sehen die Menschen, die anderen die Paragrafen. Das kann man nicht den Mitarbeitern der Ausländerbehörde vorwerfen, sehr viele unter ihnen begegnen Flüchtlingen verständnisvoll und freundlich. Es ist ein strukturelles Problem. Von keinem der offiziellen Behördensprecher hat man in diesem Fall einmal ein Wort des Bedauerns, eines Interesses an dem Schicksal von Fallou M. gehört. Die Sprache verrät die Haltung - "bei allem Verständnis" - übrigens für die Helfer, nicht den Flüchtling - lautet die Phrase. Der Helferkreis hat schon gelernt: Die Behörden haben immer Recht und machen nie Fehler. Die Meinung der Ehrenamtlichen, ohne die das Landratsamt in der Flüchtlingsbetreuung zwar aufgeschmissen wäre, zählt in diesem Fall nicht. Wie lange eigentlich noch? Es gärt in einigen Helferkreisen. Mündige und engagierte Bürger lassen sich nicht ewig bevormunden und dirigieren.

Das Bundesamt für Migration schweigt, das Landratsamt widerspricht ausführlich allen Vorwürfen - die ihm gegenüber nie erhoben worden sind. Jeder weiß, dass das Bundesamt eine Abschiebung verfügt; die Helfer hätten jedoch erwartet, dass "ihre" Behörde, das Landratsamt, vielleicht selbständig der Sache und ihrer Beschwerde nachgeht. Aber niemand will dem Verdacht auf einen Rechtsbruch auf den Grund gehen. Das verwundert dann doch in einem Rechtsstaat. Das Landratsamt ist ja nur für den "Vollzug" zuständig - eine Aussage, die mal eine Schulklasse am Lernort Dachau hinterfragen kann.

Das Landratsamt zerredet auch noch den zentralen Punkt: Es ist völlig egal, ob Fallou M. von der kommenden Abschiebung wusste, dass eine Abschiebung nach dem Dublin-Abkommen rechtens ist. Entscheidend ist, dass er entgegen Paragraf 31 des Asylgesetzes keinen Bescheid erhalten haben soll und daher keine Rechtsmittel einlegen konnte. Darüber schweigt die Behörde. Fast grotesk, wie sich das Landratsamt in vollem Umfang vom Bundesamt distanziert, dann aber ausführlich für dessen Entscheidung argumentiert. Ist das nun der "Vollzug" oder selbständige Rücksichtnahme einer Behörde auf die andere?

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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