Klassik in Sankt Stephan:Dorfkirche statt Konzertsaal

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Ungewöhnlicher Auftritt von Peter Clemente und Nicole Heartseeker

Von Renate Zauscher, Pfaffenhofen

Peter Clemente und Nicole Heartseeker sind eigentlich ganz andere Bühnen gewohnt als die einer kleinen Dorfkirche im Dachauer Hinterland. Sie treten für gewöhnlich in großen Konzertsälen auf, sind bei internationalen Festivals präsent und auf Tourneen als Solist oder Solistin wie als Mitglieder verschiedener Ensembles auf der ganzen Welt unterwegs. Umso beglückender ist es für das Publikum, wenn solche hochkarätigen Musiker im kleinen intimen Rahmen musizieren und wenn dieser Rahmen auch noch optisch so bezaubernd ist wie die Kirche Sankt Stephan in Egenburg mit ihrer barocken Ausstattung.

Sowohl Peter Clemente wie Nicole Heartseeker sind musikalisch sehr vielfältig unterwegs: Während Heartseeker vor allem als Cembalistin bekannt ist, spielt Clemente neben seiner berühmten "de Beriot", einer Geige von Giovanni Paolo Maggini aus dem Jahr 1600, auch Bratsche und Kontrabass. In Egenburg musizierten sie bei ihrem Konzert für Kult A 8 auf Orgel und Violine, zwei Instrumente, die in ihrem Zusammenspiel perfekt in die kleine Kirche mit ihrer sehr guten Akustik passten.

Gleiches gilt für die Zusammenstellung der Stücke, die die beiden Musiker mitgebracht hatten. Das gut einstündige Programm reichte von einer Sonate mit vier Sätzen von Georg Friedrich Händel für Orgel und Violine bis zur Bearbeitung eines Themas des barocken Komponisten Gaetano Pugnani von Fritz Kreisler. Ein getragener, ruhiger Satz aus einem Concerto Grosso von Antonio Vivaldi wechselte mit einem höchst temperamentvollen Czárdás von Vittorio Monti, das man sich auch von einem ungarischen Zymbal begleitet gut vorstellen könnte.

Wie virtuos Peter Clemente sein Instrument beherrscht, bewies er nicht nur mit Montis Czárdás oder einem schnellen, temperamentvollen Satz des bekanntesten flämischen Komponisten des 18. Jahrhunderts, Joseph Hector Fiocco, sondern ebenso auch mit einem von Fritz Kreisler bearbeiteten Stück des Barockkomponisten Gaetano Pugnani - eine Komposition, die sich, ganz im Sinne Kreislers, hervorragend dazu eignet, solistisches Können zu demonstrieren.

Romantische Stücke wie die im 19. Jahrhundert entstandene "Serenata" für Violine und Orgel von Gaetano Braga oder auch Felix Mendelssohn Bartholdys Komposition mit dem Titel "Auf den Flügeln des Gesanges", die es als Zugabe zu hören gab, könnten dazu verführen, sich im allzu Gefühlig-Lieblichen zu verlieren - eine Versuchung, der die beiden Interpreten zu keinem Zeitpunkt erlagen.

Mit viel Gespür für den besonderen Charakter des Stücks interpretierten Clemente und Heartseeker eine "Sicilienne" betitelten Komposition der österreichischen Pianistin und Komponistin Maria Theresia von Paradis, einer Zeitgenossin von Haydn und Mozart. Das Stück unterscheidet sich in seinem verhaltenen Gestus von vielen anderen Werken der Wiener Klassik - vielleicht weil es aus weiblicher Hand stammt. Ohne Begleitung auf der Violine spielte Nicole Heartseeker Variationen für Orgel des italienisch Barockkomponisten Domenico Zipoli: leicht hingetupfte, leise perlende Passagen, die gerade für kleinere Orgeln gedacht waren.

Zuletzt füllten die beiden Musiker den Kirchenraum erneut mit kraftvollen, in ihrer Fülle berauschen Klängen: Sie spielten die berühmte Chaconne von Tomaso Antonio Vitali, auch er ein Komponist aus dem Barock, von dem sonst kaum etwas bekannt ist. Die Kühnheit des Stücks, in dem Vitali auf vielfältige Weise die Möglichkeiten der musikalischen Gestaltung erprobt, sich Fragen stellt und Antworten sucht, hat die Menschen seit seiner Wiederentdeckung und wohl auch Überarbeitung im 19. Jahrhundert begeistert.

Als Paul Schmid von Kult A 8 zuletzt den beiden Musikern dankte, drückte er das aus, was alle anderen Zuhörer wohl genauso empfunden hatten: Er habe sich so privilegiert gefühlt wie früher "ein König oder Herzog": "Rundum goldene Pracht - und ein Konzert hochkarätiger Musiker im ganz privaten Kreis. Schöneres kann man sich nicht wünschen."

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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