Karlsfelder Verkehrsreferent:"Man muss Visionen haben"

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Karlsfelds Verkehrsreferent Johann Willibald (CSU) will die Bürger motivieren, öfter mal den Bus statt das Auto zu nehmen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Johann Willibald will Anreize für den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr und eine Schnellbusspur auf der Münchner Straße

Interview von Gregor Schiegl

Dachau ist ein Pendlerlandkreis. Mit dem Zuzug wächst auch der Verkehr. Keine Gemeinde bekommt das so deutlich zu spüren wie Karlsfeld. Auf der vierspurigen Münchner Straße fahren jeden Tag im Schnitt 45 000 Fahrzeuge durch das Gemeindegebiet, immer wieder werden die Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid überschritten. An diesem Donnerstag verabschiedet der Karlsfelder Gemeinderat seinen Verkehrsentwicklungsplan. Mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen versucht die Kommune zu verhindern, dass die Verkehrsbelastung weiter ausufert. Fast vier Jahre tüftelten Experten, Bürger und Gemeinderäte an dem Konzept. Verkehrsreferent Johann Willibald (CSU) ist mit dem Ergebnis zufrieden, setzt aber auch auf weiterführende Maßnahmen im Verbund mit anderen Kommunen.

SZ: Herr Willibald, aus den Arbeitskreisen hört man enttäuschte Stimmen: Vorschläge wurden ignoriert, Bürger warteten monatelang auf Protokolle. Manche kritisieren die Bürgerbeteiligung als "Alibiveranstaltung". Was sagen Sie dazu?

Johann Willibald: Ich fand es wichtig, die Bürger zu beteiligen, eine Alibiveranstaltung war es bestimmt nicht. Einige Vorschläge werden einfließen, andere nicht, weil sie sich nicht realisieren lassen - zum Beispiel eine Schwebebahn oder eine Straßenbahn nach Karlsfeld. Ich habe ja auch ein paar Ideen, die Wunschgedanken sind und nicht in den Plan kamen. Dass es teilweise länger gedauert hat, bis man für die Protokolle alles zusammengefasst hat, ist richtig. Aber die Einbindung der Bürger war jetzt nicht so schlecht, wie es zum Teil dargestellt wird. Und man hat ja gesehen: Die Thementische waren gut besucht.

Auch Karlsfelder fahren in der Gemeinde viel mit dem Auto. Wird der Verkehrsentwicklungsplan jetzt ein volkspädagogisches Umerziehungsprogramm?

Nein, wir müssen Anreizsysteme schaffen, dass die Leute mehr mit dem Fahrrad fahren und den Bus nehmen. Von Umerziehen halte ich gar nichts.

Es heißt immer, das Bussystem in Karlsfeld sei recht gut, das Radwegenetz auch. Wo sollen da neue Anreize entstehen?

Da sehe ich schon ein paar Möglichkeiten, zum Beispiel, was die Sicherheit auf Radwegen mit Einbahn-Regelung angeht, da brauchen wir eine bessere Beschilderung. Wir bräuchten auch mehr Angebote zur E-Mobilität für Radler, die Bevölkerung wird ja auch älter. Wenn ich Stationen hätte, an denen ich Fahrräder ausleihen kann, würde das sicherlich auch genutzt werden. Und, das habe ich in meinem ersten Interview auch schon gesagt, man muss Visionen haben. Meine Vision wäre eine Schnellbusspur auf der Münchner Straße. Wenn die Leute mitkriegen, dass der Bus wesentlich schneller und bequemer durchkommt als sie selber im Auto, bekommt man sie auch dazu, dass sie umsteigen.

Das ist aber im Alleingang nicht zu bewerkstelligen. Wen brauchen Sie?

Dafür brauchen wir das Straßenbauamt, aber auch die umliegenden Gemeinden. Wenn die nicht mitmachen, bringt das alles nichts. Deswegen will ich mit den Verkehrsreferenten der anderen Kommunen reden. Auf dieser Ebene sollte man das anpacken. Mit der Dachauer CSU-Stadtratsfraktion gab es schon eine Gesprächsrunde, es war eine sehr gute Veranstaltung.

Eigentlich bräuchten Sie auch die Landeshauptstadt München, die Großbetriebe im Münchner Norden, den Landkreis und wahrscheinlich sogar noch einen Teil von Fürstenfeldbruck. Wie wollen Sie alle Akteure an einen Tisch kriegen?

Ich habe vor, Gespräche mit den Betriebsräten von MAN, MTU und Krauss-Maffei zu führen. Es reicht nicht, neue Parkgaragen auf dem Firmengelände zu bauen. Die Unternehmen müssen Mitarbeiter belohnen, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Ich denke an MAN: In der guten alten Zeit haben die noch Firmenbusse eingesetzt. Natürlich reicht das nicht. Wenn ich die anderen Gemeinden nicht mit ins Boot kriege, bekomme ich den Verkehr nicht raus aus Karlsfeld. Denn egal, wo ich hinkomme, mittlerweile gibt es keine Straße mehr, die nicht als Schleichweg genutzt wird. Ganz schlimm ist es in der Bayernwerkstraße. Da schlängeln sich in der Früh viele durch, wenn die Hauptstraßen dicht sind. Wenn ich mir vorstelle, dass die nächsten Jahre mit 15 bis 20 Prozent Neuansiedlung im Landkreis zu rechnen ist, wird mir himmelangst.

Reden wir dann von 60 000 Fahrzeugen, die täglich auf der Münchner Straße unterwegs sind?

Ja. Dann haben wir den längsten Parkplatz Bayerns.

Was erwarten Sie denn von den anderen Kommunen? Dass sie keine neuen Wohngebiete mehr ausweisen?

Um Gottes Willen, nein! Aber sie müssen sicherstellen, dass diese Gebiete gut an Bus und Bahn angebunden sind und bei Bedarf auch die Park-and-Ride-Plätze ausbauen. Meine Hoffnung ist, dass Leute aus dem Umland umsteigen auf Mitfahrzentralen, aber das sind kleine Schritte. Und vom MVV brauchen wir eine vernünftige Preisgestaltung, damit die Leute nicht wegen zwei Streifen von Dachau nach Karlsfeld fahren, dort den Bahnhof zuparken und dann erst mit der S-Bahn weiterfahren. Schön wäre auch, wenn Karlsfeld ein eigenes Gleis bekäme über den Rangierbahnhof nach Feldmoching. Die Gleise auf dem Nordring sind ja schon da. Darüber sprechen wir mit der Bahn, auch das würde eine Entlastung für Karlsfeld bringen.

Wenn Sie die Gemeinde zum attraktiven Pendlerknotenpunkt machen, riskieren Sie da nicht, womöglich die Leute bis von Augsburg anzuziehen?

Wenn sie mit der Bahn kommen, habe ich damit auch gar kein Problem (lacht). Man muss höllisch aufpassen, denn wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.

Diesen Satz hört man normalerweise von den Grünen, aber nicht von einem CSU-Vertreter. Wer oder was hat Sie bekehrt?

Ich glaube, das liegt an der Situation in Karlsfeld. Wir sind dicht, jede Straße, die wir weiter ertüchtigen, macht die Situation schlimmer und nicht besser.

Die Parksituation in Karlsfeld ist chaotisch, in der gerade erst eröffneten Neuen Mitte stehen die Autos kreuz und quer. Kommt mit dem Verkehrsentwicklungsplan nun auch die Knöllchen-Offensive?

Die muss kommen, auch wenn ich mir damit keine Freunde mache, aber es funktioniert nicht anders. Wir hoffen, dass wir die Situation in der Neuen Mitte jetzt relativ schnell in den Griff bekommen. Wir rechnen täglich mit der Lieferung der Parkverbotsschilder. Ich habe aber auch da wieder ein Problem: Brauchen wir in Deutschland wirklich für jedes und alles einen Schilderwald? Ich appelliere immer an die Vernunft der Leute, aber leider geht es nicht ohne Parkraumüberwachung und das über einen längeren Zeitraum. Ich habe gesagt, ich will keine Umerziehung, aber ein bisschen erziehen müssen wir die Leute eben doch - über den Geldbeutel.

Reichen 80 Stunden kommunale Verkehrsüberwachung pro Woche dafür aus?

Wenn ich es auf das komplette Karlsfeld umlege, bin ich fast überzeugt, dass wir die Stundenzahl erhöhen müssen. Wichtig ist, dass wir erst mal die Schwerpunkte schärfer kontrollieren. Leider stelle ich fest, dass es immer rücksichtsloser im Verkehr zugeht. Der Fußgänger schimpft auf den Radfahrer, der Radfahrer auf den Autofahrer und der Autofahrer hupt den Fußgänger an. Das muss nicht sein. Ein bisschen mehr gegenseitige Rücksichtnahme, das wäre ein ganz großer Wunsch von mir.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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