Karlsfeld / Hebertshausen:Gezank um den Grünzug

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SZ-Grafik; Quelle: Landratsamt Dachau (Foto: g)

Der Vorstoß der CSU-Kreistagsfraktion, das geplante Landschaftsschutzgebiet im Dachauer Moos völlig neu zu gestalten, stößt nicht nur auf Kritik der Naturschützer. Auch die Parteifreunde in zwei Gemeinden sind verärgert

Von Gregor Schiegl, Dachau / Karlsfeld

Die CSU-Kreistagsfraktion sieht sich mit massiver Kritik konfrontiert, nachdem sie im Umwelt- und Kreisausschuss durchgesetzt hat, das geplante Landschaftsschutzgebiet im Dachauer Moos neu zu gestalten - ohne Rücksprache mit den betroffenen Kommunen. Naturschützer werfen der Kreis-CSU vor, einmal mehr vor den Grundbesitzern eingeknickt zu sein, in den CSU-Ortsverbänden Hebertshausen und Karlsfeld rumort es. Der Antrag auf ein umfassendes Landschaftsschutzgebiet war in der Gemeinde Karlsfeld fast einstimmig gefasst worden. Mit ihrem überraschenden Vorstoß hat die Kreis-CSU das eingeleitete Verfahren jedoch abrupt wieder abgebrochen.

"Man ist uns in den Rücken gefallen", heißt es aus Kreisen der Karlsfelder Fraktion.

Auch die Hebertshausener fühlen sich überrumpelt. Während die Kreis-CSU von Dachau und Karlsfeld beantragte Flächen aus dem Umgriff herausnahm, setzte sie dafür neue auf Hebertshausener Grund ein. Im Rathaus erfuhr man davon erst am Vorabend der Sitzung durch einen Anruf von Landrat Stefan Löwl (CSU). Das bringt auch den sonst so umgänglichen Bürgermeister Richard Reischl (CSU) auf die Palme. "So geht man nicht miteinander um."

CSU-Kreisfraktionssprecher Wolfgang Offenbeck kann die Kritik aus den Gemeinden nur teilweise nachvollziehen. "Inhaltlich ist ja gar nichts passiert", sagt er. "Deswegen verstehe ich die Aufregung nicht." Verstehen kann er die Verärgerung seiner Kollegen dennoch, Offenbeck ist selbst Gemeinderat in Karlsfeld. Als Kreis-Politiker habe er die Dinge aber anders zu beurteilen - nämlich aus der Perspektive des Landkreises. Bereits vor der Sommerpause im Juli habe es eine Ortsbegehung gegeben, die unter den CSU-Kreisräten "für erhebliche Diskussionen gesorgt" habe. Bei einer Klausurtagung Ende Oktober sei man übereingekommen, dass der Kreis Landschaftsgebiete nur dort ausweisen solle, wo es auch sinnvoll sei. "Wenn wir Beschlüsse fassen, dann müssen sie als Maxime dienen können", sagt Offenbeck.

Die von Karlsfeld vorgeschlagene Teilfläche am Naturschutzgebiet Schwarzhölzl wäre für die Kreis-CSU als Landschaftsschutzgebiet akzeptabel gewesen, nicht jedoch die anderen, zum Teil schon stark zersiedelten Gebiete, deren ökologischer Wert zumindest fragwürdig sei. "Dann könnten wir im Prinzip jedes Gebiet als Landschaftsschutzgebiet ausweisen", sagt Offenbeck. "Das wäre ein Paradigmenwechsel." Und den wollte man nicht.

Das gilt nach Offenbecks Darstellung insbesondere für die CSU-Bürgermeister, die teilweise Mühe hatten, das Ansinnen Dachaus und Karlsfelds nachzuvollziehen.

"Wie kann man seine eigenen Planungsinstrumente so aus der Hand geben?", hätten viele gefragt. Bei manchem schwang wohl auch die Sorge mit, künftig könnte der Kreis ihnen einfach ein Landschaftsschutzgebiet überstülpen, das sie gar nicht wollen. Auch deswegen wirbt Offenbeck für einen anderen Weg: Die Kommunen könnten ihr Landschaftsschutzgebiet ja auch über Flächennutzungs- und Bebauungspläne regeln. Ohne den Kreistag.

Die Karlsfelder haben sich aber ganz bewusst dafür entschieden, den Schutz der Flächen auf eine andere politische Ebene zu verlagern. Hintergrund sind Planungen für ein Gewerbegebiet im Grünzug zur Stadt Dachau. Kritiker sehen darin den Startschuss für eine scheibchenweise Verbauung des ohnehin schon stark beeinträchtigten Grünzugs. Die Karlsfelder SPD brachte die Idee auf, ein Landschaftsgebiet für die verbliebenen Flächen ausweisen zu lassen, gewissermaßen als politische Garantie. Einen Flächennutzungsplan könnte die Gemeinde nämlich jederzeit wieder ändern, ein Landschaftsschutzgebiet rückabzuwickeln wäre ungleich schwieriger, weil der Kreistag entscheidet.

Das Landschaftsschutzgebiet wäre eine wichtige "vertrauensbildende Maßnahme" gewesen, sagt der Karlsfelder CSU-Fraktionschef Bernd Wanka. Was ihn ärgert, ist, dass diejenigen, die den Kompromissvorschlag Gewerbegebiet plus Landschaftsschutzgebiet als bloßes Täuschungsmanöver angriffen, sich nun bestätigt fühlen könnten. Insofern kann er die Kritik an den Kreistags-Kollegen gut verstehen. "Mir fehlt die Sensibilität gegenüber den Karlsfeldern", sagt er. Das hat vielleicht auch mit den Kräfteverhältnissen zu tun: Nur zwei der 26 CSU-Kreisräte sind aus Karlsfeld: Bürgermeister Stefan Kolbe und Fraktionschef Wolfgang Offenbeck.

Wanka will, dass zumindest die fachliche Prüfung des beantragten Landschaftsschutzgebiets noch abgeschlossen wird. Dann könnte man gegebenenfalls andere Alternativen verfolgen wie etwa einen Schutz über den Flächennutzungsplan. Am Sonntag telefonierte er mit dem Vorsitzenden des Bunds Naturschutz, Roderich Zauscher, um die Haltung seiner Fraktion noch einmal deutlich zu machen. Man wolle ein Zusammenwachsen Dachaus und Karlsfelds verhindern und den Grünzug, der insbesondere wichtig für die Frischluftentstehung ist, schützen. Wanka sagte, er rechne es dem Bund Naturschutz hoch an, dass er sich weiterhin gesprächsbereit zeige. "Die Diskussionskultur gefällt mir."

Zauscher verhehlt seinen Ärger nicht. "Wegen einiger Privatinteressen lässt man den fast 70 000 Menschen nicht mehr die Luft zum Atmen." Für den BN-Chef ist klar, dass die Kreis-CSU vor der Lobby der Grundstücksbesitzer eingeknickt ist wie 2009. Damals kippte die CSU schon einmal die Beschlussempfehlung des Kreistags für ein Landschaftsschutzgebiet. Für Zauscher ist nun entscheidend, dass der Grünzug nicht weiter bebaut wird - egal, ob das mit einem Landschaftsschutzgebiet oder einem anderen Instrument bewerkstelligt wird. Für seine Ziele will der BN weiter alle Register ziehen. Die Strategie fasst Zauscher so zusammen: "Kooperation mit den Vernünftigen, Konfrontation mit den Unvernünftigen."

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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