Kabarett:Bekannt deftig

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Ex-Biermösl-Blosn Hans Well gastiert bei der SPD in Markt Indersdorf mit Musik und Satire, diesmal stark verjüngt durch seine Kinder, die Wellbappn.

Bärbel Schäfer

Erwin Huber freut sich zwar, dass die CSU die Biermösl-Blosn überlebt hat. Aber: "Schau ma mal, wie lang", sagte Hans Well mit maliziösem Grinsen. Mit seinen Wellbappn gastierte das Urgestein bayerischen Musikkabaretts im Gasthof Doll in Ried, und zwar auf Einladung der SPD. Als Gegenmaßnahme zum Fasching, wie der Ortsvereinsvorsitzende Hubert Böck verkündete.

Mit 200 verkauften Karten war der Auftritt trotz vier weiterer Kabarettveranstaltungen im Landkreis ausverkauft. Der Name Well zieht eben. Und Hans Well, der vier Jahrzehnte die Bayern mit der Biermösl-Blosn derbleckt hat, wäre unglaubwürdig, wenn er die Indersdorfer nicht gleich zu Beginn mit maßgeschneiderten Gstanzln aufs Korn nehmen würde: "In Indersdorf, dem Schulzentrum vom Dachauer Land, wo jeder, der fürn Landtag kandidiert ganz gwiß a Grund- und Hauptschullehrer ist. Wo da Rektor Kroschewski koa Ganztagsschui mog, weil er do arbeitn miaßat am Nachmittag." Martin Güll saß in der ersten Reihe und musste herzhaft lachen. Genau ein Jahr ist es her, dass sich die Biermösl-Blosn getrennt hat. Auf die Frage, wie es sich ohne die Brüder auf der Bühne anfühlt, reagierte Ideengeber und Texter Hans Well mit einem vielsagenden Schweigen und sagte nur: "Phantomschmerz." Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: "Wir waren zu routiniert. Jetzt lebt es wieder, und es wächst."

In seinen Töchtern Sarah und Tabea und dem 16-jährigen Sohn Jonas hat Hans Well eine vielversprechende Eskorte in Sachen anarchischem Humor. Von Generationskonflikt keine Spur. Was die Musikalität anlangt, sind die "Kinder (Hans Well: "Sie mögen es nicht, wenn man sie so bezeichnet") sowieso obenauf. Sie sind Multiinstrumentalisten, und man spürt, welch großes Potenzial in ihnen steckt. Jonas spielt Trompete, Tuba, Kontrabass und Zupfinstrumente, Sarah Bratsche, Saxophon, Akkordeon und Percussion. Nur auf Tabea müssen die Indersdorfer an diesem Abend verzichten. Die 21-jährige Studentin arbeitet für ein Sozialprojekt in Ecuador, wo sie armen Kindern Geigenunterricht gibt. Deshalb muss auch ein wenig improvisiert werden, Sarah übernimmt die zweite Stimme und singt Tabeas Gstanzl. Kleine Unsicherheiten verzeiht man der 20-jährigen Indologie-Studentin gerne. Well, der meistens Gitarre spielt, und seine Wellbappn sind frisch, unverbraucht und frech.

Die Themen sind Praxisgebühr, Zahnarztrechnung, Organspende-Skandal, selbstherrliche Porschefahrer und der Ausstieg aus der Atomkraft. Gstanzl aus Sicht der Jugend gibt es über Ausbildung ("Bachelor und Master heißt auf deutsch Desaster") und das Flatrate-Saufen als Bestandteil bayerischer Jugendkultur. Beim Groove des Koma-Rap hielt Hans Well mühelos mit. Zum Sirtaki der Griechenlandrettung legt Jonas einen Schuhplattler auf die Bühnenbretter. Die provokante Sarrazin-These beflügelte die Wellbappn zu Versen über Überfremdung, die in einer islamistisch-sozialen Union und einem salafistischen Bürgermeister in Großinzemos gipfelte.

Die Wellbappn wissen, wovon sie singen: Ihre Mutter hat indische Wurzeln und ist in Kalkutta aufgewachsen - "schon deshalb ist Indersdorf ein idealer Auftrittsort". Und die Familie Well stammt ursprünglich aus Südtirol und Schottland. Das ist gelebte Integration. Neben derben Sprüchen ist die Well-Schelte aber auch subtil: "Bayern verändert sich. Früher waren die Rindviecher in Bayern immer braun. Jetzt werden sie zunehmend schwarz." Feine Töne stimmt das Trio mit dem Susei-Jodler an, macht zur "Deutschen Einheit" einen kammermusikalischen Ausflug, Jonas spielt ein schönes Trompeten-Solo, das Publikum ist begeistert. Dann aber nimmt der alte Well mit der Lesung aus dem "Buche Bayern" die Obrigkeit aufs Korn und legt mit dem "Diridari-Psalm" in bayerischem Latein noch eins drauf. Nach wie vor ein großer Spaß, der in einem Alphorn-Duett von Vater und Sohn endete. Eines der Alphörner ruhte auf der Schulter des SPD-Ortsvereins-Vorsitzenden Hubert Böck.

Die Biermösl Blosn hat sich zwar getrennt. Dennoch kommen die Well-Brüder sehr gerne in den Landkreis Dachau und anscheinend besonders nach Markt Indersdorf: Christoph Well liest am Donnerstag, 24. Januar, 19 Uhr im Barocksaal des Klosters aus den Bäsle-Briefen von Mozart. Dazu sind Mozarts Flötenquintette zu hören. Veranstalter ist der Kulturkreis.

© SZ vom 21.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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