Jubiläum:Leben beim Sterben

Lesezeit: 3 min

"Zeit haben, das allein ist für viele bereits ein großes Geschenk", sagt Irmgard Haas, die Vorsitzende des Dachauer Elisabeth-Hospizvereins, den es inzwischen seit 20 Jahren gibt. (Foto: OH)

Der Dachauer Elisabeth-Hospizverein schult seit 20 Jahren Ehrenamtliche, die todkranke Menschen auf ihrem letzen Weg begleiten und etwas Gutes tun. Es ist ein Dienst, der immer mehr in Anspruch genommen wird

Von Petra Schafflik, Dachau

Ihre letzten Tage sind gekommen, aber die betagte Dame schätzt es noch immer, gepflegt ein Glas Wein zu genießen. Kein exotischer Wunsch, doch im durchgetakteten Alltag des Pflegeheims kredenzt niemand Rotwein in glänzend poliertem Kristall. Die Hospizbegleiterin dagegen, die regelmäßig bei der Seniorin vorbeischaut, geht gerne ein auf diese persönliche Vorliebe. Individuelle Anliegen und Wünsche ermöglichen, auch wenn das Leben langsam zu Ende geht, "das ist Lebensqualität", sagt Irmgard Haas, Vorsitzende des Dachauer Elisabeth-Hospizvereins.

Schon seit 20 Jahren schult und koordiniert diese Organisation qualifizierte Ehrenamtliche, die todkranken Menschen im Landkreis genau diesen Dienst erweisen. Das Jubiläum feiern die Mitglieder gemeinsam mit geladenen Gästen mit einem Festakt im Schloss. Und nur wenige Tage später reist eine Delegation nach Würzburg, wo Rosemarie Wechsler, die Gründerin, langjährige Vorsitzende und jetzt Ehrenvorsitzende des Elisabeth-Hospizvereins mit dem angesehenen Bayerischen Hospizpreis ausgezeichnet wird. Hospizbegleitung heißt, schwerst kranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen zur Seite stehen, um ihnen das Leben - auch wenn es zu Ende geht - lebenswert zu machen. Dabei geht es meist nicht um viel. "Da sein, zuhören, sich Zeit nehmen", sagt Lucia Schmid, die hauptberuflich den Einsatz der aktuell 43 Hospizbegleiter plant und daneben auch selbst ehrenamtlich Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet. Kleinigkeiten können für die Betroffenen große Bedeutung bekommen. Noch einmal ein Friseurbesuch, gemeinsam im Fernseher ein Fußballspiel verfolgen, vorlesen, ratschen, Musik hören, Schach spielen, beten. "Wir fragen, was braucht der Mensch", erklärt Haas. Egal, ob die Hospizbegleiter ins Pflegeheim kommen, in die Klinik oder nach Hause, wo Angehörige die Pflege leisten. "Zeit haben, das allein ist für viele bereits ein großes Geschenk."

Die Begleitung von Menschen in der letzten Phase ihres Lebens ist im Landkreis, wo es kein stationäres Hospiz gibt, die Kernaufgabe des Vereins. Ein Dienst, der immer mehr in Anspruch genommen wird. Auch weil der Elisabeth-Hospizverein nicht isoliert arbeitet, sondern im engen Austausch und Kontakt steht mit dem Palliativteam, das todkranke Menschen in ihrer häuslichen Umgebung medizinisch betreut. Gerade durch die Kooperation mit den stationären Einrichtungen gebe es mehr Anfragen, betont Koordinatorin Lucia Schmid, allein in diesem Jahr waren es bereits 68 laufende und abgeschlossene Begleitungen. Diese leisten qualifizierte Ehrenamtliche, die in einer intensiven Schulung fast ein Jahr lang Abendkurse und Wochenendseminare besucht haben. Die Menschen, die sich für diesen Kurs entscheiden, kommen mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen. Und aus den unterschiedlichsten Alters- und Gesellschaftsgruppen. Hospizbegleiter, das sind mehr Frauen als Männer, darunter junge Leute, Bürger mitten im aktiven Berufs- und Familienleben oder auch Senioren. Unterstützung erhalten die Ehrenamtlichen durch die professionelle Begleitung der Koordinatorinnen, in Supervisions-Gesprächen und Fortbildungen.

Neben dem speziellen Vorbereitungsseminar für Hospizbegleiter bietet der Elisabeth-Hospizverein für die breite Öffentlichkeit zugängliche Grundkurse, die sich mit Fragen rund um ein menschenwürdiges Sterben befassen. Da geht es um Palliativmedizin, um Trauer und die ganz persönliche Einstellung zu Sterben und Tod.

Gesprochen wird auch über eine gute Vorsorge mit Patientenverfügung, Vollmacht oder Betreuungsverfügung. Zweimal jährlich gibt es diese Basisqualifikation, immer kommen 15 bis 25 Teilnehmer, und das seit 20 Jahren. "Allein dadurch haben wird das Thema schon gut in die Öffentlichkeit getragen", findet Haas. Denn auch darum geht es dem Elisabeth-Hospiz-Verein seit Rosemarie Wechsler den Verein vor 20 Jahren initiiert hat: Das gesellschaftliche Tabu rund ums Thema Tod und Sterben aufbrechen. Und die Gesellschaft, in der Leistung, Fitness und Performance zählen, zu sensibilisieren für Werte wie Menschlichkeit, Würde und Lebensqualität bis zum letzten Tag.

Ein Ziel, das vielleicht noch nicht vollständig erreicht ist, wie Vereinsvorsitzende Irmgard Haas einräumt. Aber ein Wandel sei doch in der Gesellschaft erkennbar. Das zeige sich auch in den Anfragen nach Vorträgen, die von Vereinen, Kirchengemeinden und Schulen immer zahlreicher kommen, sagt Lucia Schmid. "Es gibt noch nicht unbedingt viel mehr Wissen, aber doch das Interesse und eine größere Sensibilität."

Das nächste Grundseminar zur Hospiz-Idee startet am Mittwoch, 13. Februar und umfasst sieben Vortragsabende, die im Caritas-Zentrum in der Landsberger Straße 11 stattfinden. Nähere Information unter www.hospizvereindachau.de oder Telefon 08131/2981006.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: