Jubiläum:Auf "en Koppke Tee"

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Die gebürtige Emdenerin Meta Krasselt weist zu ihrem 101. Geburtstag den Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann in die Geheimnisse des ostfriesischen Teetrinkens ein

Von Julia Putzger, Dachau

Ein bisschen muss sie selbst staunen ob der Gratulationen. 101 Jahre - dass sie einmal so alt werden wird, das hätte Meta Krasselt nicht gedacht. "Aber eigentlich habe ich überhaupt nie darüber nachgedacht, wie alt ich denn nun bin, nicht mit 80, nicht mit 95 und auch nicht mit 100 Jahren. Ich bin da einfach so reingerutscht." Bereits am 18. April feierte Meta Krasselt ihren Geburtstag mit der Familie, am vergangenen Donnerstag gratulierte Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann bei Tee, einem Gläschen Sekt und Erdbeerkuchen ebenfalls zum Ehrentag.

Der Tee ist aber nicht irgendeine Sorte, die beliebig getrunken wird, sondern Ostfriesischer Tee, über den und die damit verbundenen Rituale Krasselt, ihre Tochter Rosemarie Neupert und deren Mann Hans-Hermann Neupert wohl stundenlang sprechen könnten. Denn die 101-Jährige hat den Großteil ihres Lebens in Ostfriesland verbracht, genauer gesagt in Emden. In der größten Stadt der Region, aus der auch der Komiker Otto Waalkes stammt, wurde sie 1918 geboren, erst vor rund 30 Jahren kam sie der Tochter wegen nach Bayern.

"Ich bin da einfach so reingerutscht", sagt Meta Krasselt, die nie über ihr Alter nachgedacht hat. Dachaus OB Hartmann gratuliert der 101-Jährigen. (Foto: Toni Heigl)

Und das, obwohl ihr Vater ihr stets einbläute: "Komm mir ja nicht mit einem Bayern nach Hause", rezitiert die alte Dame, in feinstem Plattdeutsch natürlich. Nun sei es aus Sicht ihres Vaters also noch schlimmer gekommen und Krasselt lebt sogar selbst in Bayern. Als sie noch mobiler war, sei sie auch oft in die alte Heimat gereist, wo die Verwandtschaft über ihre bayerischen Angewohnheiten schmunzelte. Beispielsweise habe sie statt dem dort üblichen "kuck mal" "schau mal" gesagt. Die Zeit hier habe Krasselt aber sehr genossen: In Esting bei Olching, wo sie lange Zeit lebte, war sie im Spielverein aktiv, sie sah ihre Enkel und Urenkel aufwachsen. Seit einigen Jahren wohnt sie sogar fast direkt neben ihrer Tochter. Für "en Koppke Tee", wie die Ostfriesen zu sagen pflegen, ist also fast jeden Tag Zeit.

Emden und Dachau hätten außerdem doch einige Gemeinsamkeiten, wie etwa das Kopfsteinpflaster in der Altstadt, sagt die Jubilarin dem Oberbürgermeister. Nach den Bombenangriffen auf Emden im Zweiten Weltkrieg sei davon allerdings nicht mehr viel übrig geblieben. "Wir hatten einen Bunker, in dem wir bei Angriffen immer saßen. Da hing ein Schlüssel an der Wand und wenn der wackelte, dann wussten wir: Draußen ist wieder was los", erzählt sie. Hartmann lauscht ihren Schilderungen gespannt, erzählt von seinen Reisen in den Norden Deutschlands und wird in die Kunst des ostfriesischen Teetrinkens eingeweiht. Denn von diesem werden traditionell drei Tassen mit Zucker und Sahne getrunken, allerdings nicht verrührt. "Das ist aber nur in Emden so, im benachbarten Norden macht das niemand", erklärt der Schwiegersohn.

Meta Krasselt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. (Foto: Toni Heigl)

Dass es bei der kleinen Feier an diesem Nachmittag hauptsächlich um Tee geht, ist kein Zufall. Schon die Kleinsten bekämen ihn in Ostfriesland zur Beruhigung, an ihrem 100. Geburtstag meinte Krasselt gar, dass es wohl am guten ostfriesischen Tee liege, dass sie so alt werde.

"Es ist immer sehr spannend zu hören, was die alten Leute so zu erzählen haben. Sie haben noch den Weltkrieg erlebt und können von Dingen berichten, die ich sonst nur aus dem Geschichtsbuch kenne", sagt der OB. Ab dem 100. Geburtstag steht für ihn oder seine Vertreter ein jährlicher Besuch zum Ehrentag an, bei Hochzeiten ist er ab dem 60. Jubiläum mit von der Partie. Als Geschenk bringt er nicht nur eine Gratulationsurkunde von Ministerpräsident Markus Söder mit, Meta Krasselt darf sich zum 101. Geburtstag auch über einen Geschenkkorb mit allerlei Leckereien freuen. Zum runden Geburtstag im vergangenen Jahr erreichte sie zudem eine von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgestellte Urkunde. Auf das lange Leben wird schließlich aber nicht mit Tee, sondern einem Gläschen Sekt angestoßen. "Ihr werdet noch ein bisschen Arbeit haben mit ihr", prophezeit die Tochter den Anwesenden. "Ich sag' immer: mindestens 104 Jahre wird sie alt werden."

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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