Innovative Behandlung:Schnelle Hilfe für psychisch Erkrankte

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Im kbo-Klinikum Fürstenfeldbruck werden Patienten auch aus Dachau möglichst nahe ihrem Wohnort behandelt. Nach den ersten beiden Jahren ist die Bilanz positiv und das Konzept deutschlandweit bekannt

Von Ingrid Hügenell, Dachau/Fürstenfeldbruck

Das zweijährige Bestehen einer Einrichtung ist normalerweise kein Anlass für große Bilanzen. Beim Isar-Amper-Klinikum Fürstenfeldbruck der Bezirks Oberbayern ist das anders. Diese psychiatrische Klinik sei etwas ganz Besonderes, erklärt Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) bei einem Pressegespräch. Denn sie stehe beispielhaft für die Regionalisierung der Psychiatrie. "Wir wollen die Psychiatrie zu den Menschen bringen." Dadurch und durch niederschwellige Angebote sollen Menschen mit psychischen Erkrankungen möglichst früh Hilfe bekommen. In Bayern sind die Bezirke für psychiatrische Einrichtungen zuständig, die in Oberbayern unter dem Dach der Kliniken des Bezirks Oberbayern, kurz kbo, zusammengefasst sind.

Während man früher psychisch Kranke in großen Häusern zentral unterbrachte, versucht man nun, möglichst nahe am Wohnort Angebote zu machen. Die Klinik in Fürstenfeldbruck ist mit ihren 88 Betten im stationären Bereich für die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau zuständig. Sie verfügt zudem in beiden Kreisstädten über einen ambulanten Bereich und eine Tagesklinik. So können die Patienten in der Nähe ihres Wohnorts und ihrer Angehörigen versorgt werden. Wer die Tagesklinik besucht oder von der Klinik aus andere Angebote wie etwa die Suchtberatung der Caritas in Anspruch nimmt, kann das oft sogar zu Fuß erledigen. Eine Besonderheit ist, dass die Klinik mitten im Wohnviertel liegt, worüber es ein langes Hin und Her gab, wie Mederer sich erinnert. Er lobt den Mut der Politik, das Haus dort zu errichten, wo es heute steht. Das sei eine absolut richtige Grundsatzentscheidung gewesen, sagt Chefarzt Nicolay Marstrander. "Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Es gebe inzwischen zu "99 Prozent positive Resonanz", auch aus der Politik.

Die Klinik liegt im Wohngebiet. Sie bietet 88 Betten im stationären Bereich, 25 Plätze in der Tagesklinik und eine Ambulanz. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Professor Peter Brieger, der ärztliche Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikums, zu dem das Fürstenfeldbrucker Haus gehört, berichtet: "In diesen ersten beiden Jahren ist Fürstenfeldbruck in ganz Deutschland zu einem festen Begriff geworden durch sein Konzept einer modernen, offenen Psychiatrie." Die Offenheit ist ein wichtiger Teil des Konzepts. Es gibt nur einen kleinen Bereich, in dem die wenigen Patienten festgehalten werden können, die für sich selbst oder andere gefährlich werden könnten. Das Haus öffnet sich nach außen, was die Architektur sichtbar macht.

Neu ist auch, dass die Klinik einen eigenen Eingang hat. Früher habe es immer geheißen, man brauche einen gemeinsamen Eingang mit einem Allgemeinkrankenhaus, damit die Patienten unauffällig kommen könnten, sagt Brieger. Nun gehe man viel offener mit psychischen Erkrankungen um. "Das sind völlig normale Erkrankungen wie jede andere auch", sagt Mederer. Sie sollten kein Stigma mehr sein. Schließlich könne es jeden treffen. Wer also in eine psychische Krise gerät, eine Suchterkrankung hat, unter einer Depression, einer schweren Angststörung, einer Zwangserkrankung, einer Demenz oder Psychose leidet, der findet in Fürstenfeldbruck und Dachau Hilfe.

Nicolay Marstrander (rechts) zeigt Josef Mederer (2.v.r.), welche Objekte in der Therapie entstehen. Daneben Christine Ernst-Geyer und Peter Brieger. (Foto: Carmen Voxbrunner)

In den Ambulanzen werden dreimal am Tag Sprechstunden abgehalten. Dort arbeiten nicht nur Ärzte, sondern auch Pflegekräfte, Ergotherapeuten und Sozialarbeiter. Sie machen auch Hausbesuche. Etwa 1500 Menschen in Fürstenfeldbruck und 600 in Dachau nehmen das Angebot jedes Jahr wahr. "Jeder Patient wird angeschaut und dann wird entscheiden, was er wirklich braucht", sagt Christine Ernst-Geyer, die Leiterin des Pflegediensts der Klinik.

Einige werden stationär aufgenommen, andere besuchen die Tagesklinik, die in Fürstenfeldbruck über 25 und in Dachau über 20 Bettenverfügt. Sie sind nachts und an den Wochenenden zuhause und kommen morgens in die Klinik. Dort verbringen sie den Tag und erhalten Therapien. So könnten die Patienten etwa Kinder oder Haustiere weiter versorgen und Verantwortung für ihren Heilungsprozess übernehmen, erklärt Nicolay Marstrander.

Dass er und Ernst-Geyer beim Pressegespräch gemeinsam Auskunft geben, spiegelt das Duale Leitungssystem der Klinik: Alle Führungspositionen sind zweifach besetzt, durch einen Arzt und einen Vertreter der Pflege. Am Freitag, 12. Oktober, gibt es einen Tag der offenen Tür.

© SZ vom 04.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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