Helios Amperklinikum:"Wir werden den Druck erhöhen"

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Claus-Dieter Möbs, der Betriebsratsvorsitzende der Helios Amperklinikum AG, kündigt massive Demonstrationen an, um einen Tarifvertrag durchzusetzen, der die Pflege entscheidend verbessert. Die anonymisierten Internet-Gerüchte gegen die Kliniken nerven ihn

Interview von Wolfgang Eitler

Claus-Dieter Möbs hat die Auseinandersetzungen zwischen Personal und der Geschäftsführung der beiden Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf seit 1996 miterlebt und miterlitten. Denn in seine Zeit als Mitglied des Betriebsrats fielen die grundlegenden Entscheidungen des Dachauer Kreistages, die ehemals kommunalen Häuser zu privatisieren und an einen Konzern mehrheitlich zu veräußern. Zuerst übernahm die Rhönklinikum AG in Neustadt an der Saale in Bayern die Aktiengesellschaft. Seit 2014 gehören die 94,9 Prozent der Helios Kliniken GmbH. Sie ist wiederum Teil des zurzeit größten Gesundheitskonzerns in Deutschland, wenn nicht in Europa, der Fresenius SE. Möbs macht sich keine Illusionen über den Einfluss von Arbeitnehmervertretern auf die Konzernspitze. Aber er hofft darauf, dass in Dachau wenigstens ein erträglicheres Arbeiten möglich wird. Und er wünscht sich Mitarbeiter wie auch Patienten, die sich nicht anonymisiert vor allem mittels Internet über die Kliniken und die dort teils problematischen Zustände auslassen, sondern den Mut haben, sich an ihn und seine Kollegen zu wenden: "Sonst sind Verbesserungen nicht möglich." Claus-Dieter Möbs geht im Sommer 2017 in Rente. Er ist 65 Jahre alt.

SZ: Sie sind seit 1978 Krankenpfleger, seit 1996 im Betriebsrat des Dachauer und Indersdorfer Klinikums und seit zehn Jahren Vorsitzender. Würden Sie nochmals den Beruf ergreifen?

Claus-Dieter Möbs: Ich liebe meinen Beruf. In der Pflege habe ich ihn geliebt. In der Anästhesie ebenfalls und auch als Betriebsrat. Auch wenn die Arbeitnehmervertretung eine Sisyphusarbeit ist, mag ich sie. Heutzutage würde ich, wenn ich jung wäre, versuchen, an ein kleineres Haus zu gehen, das sich die großen Konzerne noch nicht einverleibt haben und an dem man noch in einen echten Kontakt mit den Patienten kommt. Ihre Sorgen und Nöte ernst nehmen kann. Bei Konzernen wie Helios oder Asklepios ist die Nähe zum Patienten weg, denn weniger Pflegekräfte als früher müssen mehr Patienten versorgen.

Nun hat der Aufsichtsrat der Helios Amper Klinikum AG Dachau offiziell mitgeteilt, dass die im Oktober angekündigten Reformen der Pflege im Klinikum Dachau auch umgesetzt werden. Sie gehören dem Aufsichtsrat als Vertreter der Belegschaft an. Teilen Sie den Optimismus?

Es ist genau so, wie der Aufsichtsrat mitteilt. Wir haben jetzt vor zwei Wochen eine interne Klinikkonferenz gehabt. Jeder konnte dort darlegen, was ihn bewegt. Die Geschäftsführung wollte ihrerseits wissen, ob das Personal schon Veränderungen erkennen kann. Diese Frage wurde eindeutig bejaht.

Gehen wir die einzelnen Eckpunkte der von Geschäftsführer Christoph Engelbrecht Anfang Oktober vorgelegten Reformpunkt durch. Erstens Reinigung. Ist sie besser geworden?

Endlich geht ein Team von drei Leuten täglich durch das ganze Haus, das die Zimmer inspiziert und auch Nachbesserungen anordnet. Die Patienten merken schon, dass etwas passiert, denn sie wissen ja, dass es einen Siebenpunkteplan gibt. Natürlich ist die positive Reaktion noch verhalten, aber sie ist da.

Hat es den Aufschrei in der Öffentlichkeit bis in das politische Gremium des Kreistags tatsächlich dafür gebraucht?

Man hätte diese Reform schon vor Jahren machen müssen. Denn die Rufe nach Sauberkeit waren auch schon unter Rhön laut vernehmbar ( von der Rhönklinikum AG hat die Helios Kliniken GmbH die Mehrheitsanteile von 94,9 Prozent übernommen. Anm. d. Red).

Ist der Service schon besser geworden?

Der Service ist jetzt nur noch für das Essen und dessen Verteilung zuständig. Alle anderen zusätzlichen Aufgaben wie das Säubern von Nachttischen oder Infusionsgeräten übernimmt die Reinigung.

Wie nah kommt die Reform Ihrem Ziel, dass die Mitarbeiter wieder zu einem Team werden. Auch Landrat Stefan Löwl monierte diese Aufsplitterung von Tätigkeit in mehrere Untergesellschaften, die unabhängig voneinander handeln?

Es ist uns vielleicht der erste Schritt gelungen. Mehr aber noch nicht. Denn noch arbeiten Fremdfirmen in unserem Unternehmen. Kein Arzt und keine Pflegekraft kann Angestellten einer solchen Fremdfirma beispielsweise einer Putzfirma sagen, was sie zu tun hat. Das ist die Crux. Dadurch entsteht der geringe Zusammenhalt von Pflegepersonal, Servicekräften und Reinigung. Ich muss beispielsweise einem Brief nachgehen, wo sich Servicekräfte über die geringe Wertschätzung von Seiten der Pflege beklagen.

Der nächste Schritt einer inneren organisatorischen Reform wäre die Auflösung dieser Fremdfirmen, um wirkliche Teams pro Station und in der gesamten Klinik bilden zu können?

Ja. Ich hoffe sehr, dass wir diesem Ziel nächstes Jahr näherkommen. Es finden seit Kurzem hausintern in Dachau und Markt Indersdorf regelmäßige Konferenzen statt, um die Schnittstellenprobleme zwischen Ärzten, Pflege, Service und Reinigung zu erfassen und die Kommunikation untereinander zu verbessern. Ebenso beginnt nächstes Jahr ein Zweitages-Workshop "Entwicklung Führungsleitbild für unsere Kliniken" für Führungskräfte statt, der die jetzige Situation unter anderem auch verbessern soll.

Bleiben die Fremdfirmen?

Leider ja. Das ist eine Maßgabe von Helios, dass das Unternehmen alles, was nicht unmittelbar mit der Pflege zu tun hat, outsourct. Im Sinne des Patienten müssten wir meines Erachtens zurück zum System, wie es vor 20, 25 Jahren war. Und weil Helios zurzeit dabei nicht mitzieht, müssen wir gemeinsam dafür sorgen, die Kommunikation unter den einzelnen Berufsgruppen zu verbessern.

Dann lautet Ihre Grundsatzkritik an Helios und auch an Vorgänger Rhön: Durch das Outsourcing ist der entscheidende menschliche Faktor der Zusammenarbeit verloren gegangen?

Claus-Dieter Möbs ist seit zehn Jahren Betriebsratsvorsitzender der Kliniken in Dachau und Indersdorf. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Es gibt keine teambildenden Maßnahmen mehr. Das ist unser großes Thema. Bei vielen Mitarbeitern hat sich eine regelrechte Verweigerungshaltung entwickelt, die der angespannten Personalsituation geschuldet ist. Wissen Sie, wenn ich mich mit meiner Arbeit identifizieren kann, wenn ich mich als Teil eines Ganzen fühle, dann respektieren sich die Menschen untereinander und erkennen sich auch gegenseitig an. Durch dieses System der Fremdfirmen, die externen Chefs untergeordnet sind und ständig in der Region tätig sind und teilweise nicht vor Ort sein können, kann es keine Teams geben.

Betrifft Ihre Kritik auch die Ärzte?

Sie betrifft teilweise auch die Ärzte. Oft meinen sie, dass sie über allem stehen und den Pflegekräften ihre Anweisungen erteilen könnten, die über den medizinischen Anteil hinausgehen und Teile ihrer Aufgaben der Pflege zusätzlich aufbürden. Grundsätzlich hat sich die Zusammenarbeit zwischen ärztlichem Dienst und der Pflege in den vergangenen Jahren eingeschränkt, da auf beiden Seiten die Anforderungen angestiegen sind.

Sie haben mehrere Vorstandsvorsitzende erlebt. Uwe Schmid, der die Umwandlung der Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf betrieb. Seinen Nachfolger Bernward Schröter, dann mehrere kurze Episoden mit Helios-Angestellten bis sich jetzt Christoph Engelbrecht anscheinend etabliert. Skizzieren Sie doch bitte die Führungsstile.

Uwe Schmid war ein knallharter Geschäftsmann. Unter ihm ist das Menschliche an den beiden Kliniken verloren gegangen, der die betriebswirtschaftlichen Ziele jedoch stets zielgerichtet verfolgt und dabei großen Erfolg hatte. Bei Schröter haben wir den großen Wendepunkt erlebt. Er hat die Nöte des Personals verstanden und sie als eine Gemeinschaft gesehen. Christoph Engelbrecht halte ich für kompetent und integer. Aber er kann nur wirklich das ändern, was Helios in Berlin zulässt. Wenn Helios den Stellenplan deutlich aufstocken würde, würde er sofort handeln und qualifiziertes Pflegepersonal einstellen.

Gehen wir auf die heftigen und in den sozialen Medien wie Facebook oder auch im Dachauer Ratsch aggressiv geführten Debatten seit Herbst 2016 über das Dachauer Klinikum ein.

Das waren seltsame Berichte, in denen dritte über angebliche Erfahrungen anderer mit den Kliniken berichteten. Und wenn wir vom Betriebsrat versuchten nachzufassen, blieb oft nicht viel übrig.

Aber in der öffentlichen Debatte im Kreistag zu der Aufregung in Dachau lieferten Kreisräte wie der CSU-Sprecher Wolfgang Offenbeck oder sein SPD-Kollege Harald Dirlenbach Fakten über Pflegefehler, die an die Substanz der Klinik gingen. Angesichts ihres Wissens hätten sie unabhängig von den Anwürfen in den sozialen Medien schon längst eine öffentliche Diskussion anberaumen müssen. Wie ist sie vom Personal aufgenommen worden?

Wie groß ist der Spielraum des Dachauer Helios-Geschäftsführers Christoph Engelbrecht in Dachau, um die Struktur des Klinikums zu verbessern. Seine Chefin Karin Gräppi in Berlin sagt, groß genug. (Foto: Toni Heigl, Niels P. Jørgensen)

Ich hätte mir insgesamt mehr Resonanz erwartet. Ich würde sie mir auch jetzt erwarten, nachdem wir doch jetzt intern diese Klinikkonferenz hatten, die nächstes Jahr fortgesetzt wird. Aber von den Pflegekräften, die sich täglich über die Missstände äußern, nahmen erschreckend wenige teil. Das verstehe ich nicht. Ich weiß nicht, ob es Desinteresse ist oder Resignation. Aber wir müssen dieses Schweigen aufbrechen. Dazu gehört auch, dass das Personal und auch Patienten mit Namen gerade stehen. Denn sonst können wir vom Betriebsrat Vorfällen nicht nachgehen. Jeden Tag höre ich von Missständen, aber die betreffenden Personen kommen nicht zu mir.

Was nehmen Sie aus den Debatten der vergangenen Monate mit?

An der Kritik war viel Wahres dran, das wir mühsam recherchierten. Aber ich wünschte mir, die Kritiker würden zu ihren Äußerungen stehen. Es nützt nichts, sich an die unabhängige Betriebsgruppe zu wenden und Radau zu machen, aber sich einer Überprüfung der Vorfälle nicht zu stellen.

Ist die Angst so groß?

Wir vom Betriebsrat gehen doch nur zur Geschäftsleitung, wenn wir den einzelnen Vorfall auch belegen können.

Wer vermiest den Beruf tatsächlich? Die Konzerne oder die Gesundheitspolitik?

Beide. Aber die Gesundheitspolitik legt solche Fesseln an, bis sie die Zahl der Kliniken massiv reduziert haben.

Die Gewerkschaft Verdi will einen neuen Tarifvertrag, der die Pflege nicht mehr an den Fallpauschalen misst, also an dem, was ein Klinikum für eine bestimmte Behandlung bekommt. Verdi will wieder einen Pflegeschlüssel, der die qualitativ gute Pflege zum Maßstab erhebt. Hat ein solcher Tarifvertrag bei Helios eine Chance?

Das weiß ich nicht. Aber was ich weiß, ist, dass nächstes Jahr dazu bundesweit bei allen Krankenhäusern Aktionen stattfinden werden. Die Aktionen werden geballt aufschlagen. Auch bei Helios, auch bei uns in Dachau. Wir werden den Druck erhöhen, um mehr Personal zu bekommen. An bundesdeutschen Kliniken fehlen insgesamt 162 000 Mitarbeiter in allen Bereichen.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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