Fluchtwellen der vergangen Jahrzehnte:Kein Platz für 20 Schutzbedürftige

"Wir haben keinen Quadratmeter frei", sagte der Dachauer Oberbürgermeister. "Ich sehe in Schwabhausen überhaupt keine Möglichkeit", betonte der dortige Rathauschef. Vom Odelzhausener Bürgermeister war zu vernehmen: "Wir wissen ja alle nicht, wie sich die, wenn sie aufm Land sind, verhalten." Und Karlsfelds Vizebürgermeister hatte "Vorbehalte diesen Menschen gegenüber" in seiner Gemeinde ausgemacht. Worum handelte es sich? Um einen Appell des Landratsamts, Wohnraum für Asylsuchende bereitzustellen, im Sommer 1986. Und es ging zunächst um 20 Personen, eine Zahl, die bis zum Jahresende möglicherweise auf 140 anwachsen könne, wie die Kreisbehörde damals mitteilte.

Es waren die ersten Asylsuchenden überhaupt, die vor 30 Jahren in den Landkreis Dachau verteilt wurden. Die Zahlen politisch Verfolgter, die in Deutschland Schutz suchten, lagen bis Mitte der Siebzigerjahre unter 10 000 im Jahr (1975: 9627 Flüchtlinge). Ausnahmen bildeten die Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 und des Prager Frühlings 1968, als die Zahlen jeweils kurzfristig nach oben schnellten. 1980 stellten erstmals mehr als 100 000 Menschen Asylanträge (107.818) in Deutschland. Nun kamen mehr Flüchtlinge aus Dritteweltstaaten, während bis dahin die kommunistischen Staaten Osteuropas die Hauptherkunftsländer gewesen waren.

Knapp 100 000 Asylsuchende flohen 1986 nach Deutschland, drei Viertel davon aus Ländern der Dritten Welt, 25 Prozent aus Europa. Die Flüchtlingszahl blieb einige Jahre unter der Marke von 100 000, ehe sie zu Beginn der Neunzigerjahre wegen der Jugoslawienkriege nach oben schnellte und 1992 mit 438 191 Menschen eine Höchstzahl erreichte, die erst 2015 überboten wurde.

© SZ vom 16.04.2016 / w.g. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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