Finanzpolitik in Dachau:Gesicht wahren um jeden Preis

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Die Stadtratsmehrheit beschließt einen dichteren Bustakt, weil das vor der Corona-Pandemie so versprochen war. Angesichts der Haushaltslage ist dies aber schlichtweg verantwortungslos

Kommentar von Andreas Förster

Die Corona-Pandemie zwingt gerade viele Menschen dazu, den Gürtel enger zu schnallen und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Die Anschaffung des neuen Autos kommt genauso auf den Prüfstand wie die schöne neue Couch-Garnitur oder der Sommerurlaub in der Karibik. Zumal der vermutlich in diesem Jahr sowieso nicht erlaubt ist, weil die Grenzen noch länger dicht sind. Stattdessen schauen die Bürger auf die Grundbedürfnisse: Das, was man zum Leben braucht und vielleicht noch ein Netflix- oder Spotify-Abo. Natürlich wird das nicht so bleiben. Aber wie es weitergeht, weiß niemand, und so sind die meisten erst einmal vorsichtig und halten das Geld zusammen.

Im Dachauer Stadtrat hingegen scheint es wichtiger zu sein, "Leuchtturmprojekte" wie den Zehn-Minuten-Takt auf drei städtischen Buslinien pünktlich zum Fahrplanwechsel einzuführen. Koste es, was es wolle. "Was ist schon eine weitere Million Euro Finanzbedarf in einem Stadthaushalt, der 171 Millionen Euro schwer ist?", fragt der Stadtrat der Grünen, Thomas Kress, in Richtung Stadtkämmerei, die zur finanziellen Zurückhaltung gemahnt hat. Die mit einem Fehlbetrag allein bei der Einkommensteuer in Höhe von mindestens 3,8 Millionen Euro rechnet. Die CSU hatte noch im Dezember 2019 den Haushalt, insbesondere die "unsolide Finanzplanung der Stadtwerke" kritisiert und dagegen gestimmt. Nun hätte sie die Möglichkeit gehabt, beide Haushalte, den der Stadt und der Stadtwerke Dachau, die bekanntermaßen keine Rücklagen mehr haben, zu entlasten, und nutzt sie nicht. Mit der Begründung von CSU-Fraktionssprecher Florian Schiller, man könne es sich "nicht leisten, das Kernstück der Verkehrswende zu torpedieren". Gemeint ist wohl: Wir können nicht wortbrüchig werden, was sollen die Wähler von uns denken, die uns bei der Kommunalwahl eh schon kräftig abgestraft haben?

Natürlich macht der Klimawandel keine Pause und ja, die Verkehrswende ist kein Luxusprojekt, wie Grünen-Stadträtin Luise Krispenz richtig anmerkt. Doch darf man dann trotzdem Geld ausgeben, das man gar nicht hat? Das vielleicht am Ende für die notwendigen Dinge wie die gesetzlich garantierte Kinderbetreuung fehlt? Das man vielleicht eher zur Stärkung der örtlichen Wirtschaft und zur Unterstützung der öffentlichen Einrichtungen hätte ausgeben sollen? Dies, zuzugeben, hätte Mut bedurft. Aber lieber wollte man das Gesicht nicht vor dem Wähler verlieren, der den Gürtel enger schnallt. Eine verantwortungsvolle Finanzpolitik in Zeiten wie diesen sieht anders aus.

© SZ vom 28.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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