Erschwerte Bedingungen:Hospizarbeit und Corona

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Wer nur noch ein paar Tage zu leben hat, freut sich über ein paar schöne Stunden und über Nähe. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Ärztin Martina Rössler erklärt aktiven Sterbebegleitern in Dachau, wie sie trotz Infektionsgefahr mit den Patienten umgehen können

Von Eva Waltl

Dachau - "Der Tod, gefürchtet oder ungefürchtet, kommt unaufhaltsam", sprach Pylades einst zu Orest in Goethes Drama "Iphigenie auf Tauris". Um diesem unaufhaltsamen Ende mit etwas weniger Furcht entgegenzutreten, engagieren sich im Landkreis Dachau etwa 50 Ehrenamtliche und schenken Sterbenden und Schwerkranken das, wovon den Betroffenen nur noch wenig bleibt: Zeit.

Wo die medizinische Hilfe und Versorgung aufhört, setzt die Hospizbegleitung an. Es sind in der Regel zwei bis vier Stunden, die ein Hospizbegleiter pro Woche mit einem Menschen, dem der Tod unmittelbar bevorsteht, verbringt. "Wenn es auf das Ende zugeht, finden die Besuche auch schon mal jeden Tag statt", erklärt Renate Leipnitz vom Elisabeth-Hospizverein Dachau. Man versuche, die Wünsche der Sterbenden zu erfüllen, sagt sie. Auch Corona spielt eine große Rolle in der Hospizarbeit. Martina Rössler, leitende Ärztin des Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) vom Münchner Hospizdienst "DaSein", hielt jetzt einen Vortrag zum Thema "Umgang mit Infektionsgefahren". SAPV bietet ein ergänzendes medizinisches Angebot. Wesentlich ist dabei die Schmerzlinderung für Sterbende. Rössler informierte im Caritas-Zentrum Dachau über die Gefahren von multiresistenten Erregern.

"Das wird kein Fachvortrag", begann Rössler. Wobei sie natürlich die grundlegende Wissensvermittlung nicht umgehen konnte. Im Fokus des einstündigen Vortrags stand der Umgang mit Betroffenen in der palliativen Behandlung. Die Teilnehmer erfuhren praktische Verhaltensregeln, die auch während Corona ein sicheres, infektionsfreies Zusammensein von Hospizbegleiter und Schwerkranken ermöglichen sollen.

Vor 22 Jahren wurde der Hospizverein gegründet. In diesen Jahren haben Ehrenamtliche mit Kinobesuchen, Spaziergängen und Vorlesen die letzten düsteren Wochen von Sterbenden mit etwas Licht und Freude erfüllt. Rund die Hälfte der Trauerarbeiter im Landkreis sind Rentner, die andere Hälfte bringt die Zeit neben der beruflichen Tätigkeit auf. Zeit ist das Ausschlaggebende. Die Hospizbegleiter schenken sie. "Je nachdem wer sie gerade benötigt", erwähnt Leipnitz. Die Zeit mit den Angehörigen sei ebenso wichtig: "Wir versuchen auch den Angehörigen etwas Freiraum zu schaffen" so Leipnitz.

Etwa zehn Interessierte wohnten der ersten Runde der Informationsveranstaltung bei. Das Thema Corona und Pflege sorgte für großes Interesse und auch für Unsicherheiten unter den Teilnehmern. Laut Rössler könnten die Besuche weiterhin stattfinden, wenn die Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Auf die Frage einer Teilnehmerin, ob es noch vernünftig sei, die Kranken zu berühren, ist Rösslers Antwort klar: Ja. Dies sei sogar während des Sterbeprozesses besonders wichtig. Empathie funktioniere nun einmal über Berührung, so die Ärztin. Denn das Unaufhaltsame wird eintreten, gefürchtet oder ungefürchtet, mit oder ohne Corona.

© SZ vom 23.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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