Egenburg:Freundliches Musizieren

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Nicole Hartseeker spielte als Orgelsolo die Fantasie in G-Dur von Johann Sebastian Bach. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie das Clemente Trio mit Barockmusik fasziniert

Von Adolf Karl Gottwald, Egenburg

Gesteinigt wurde der heilige Stephanus, der als erster Märtyrer unmittelbar nach Christi Geburt, also am zweiten Weihnachtsfeiertag, in den christlichen Kalender eingegangen ist. Wie man sich das Steinigen vorzustellen hat, zeigt das Deckengemälde im Langhaus der Kirche in Egenburg, die dem Märtyrer gewidmet ist. Da wirft ihm ein römischer Soldat einen gewaltigen Gesteinsbrocken auf den Kopf. Das Clemente Trio aus München hatte gewaltige Brocken der Barockmusik mitgebracht, warf diese dem erfreulich zahlreichen Publikum aber nicht an den Kopf, sondern servierte sie elegant und freundlich.

Freundliches Musizieren ist zwar kein geläufiger Begriff, aber in dem Fall zutreffender. Das Publikum wird nicht mit gewaltigen Werken und hoher Virtuosität konfrontiert, nicht klein gemacht und zum Bewundern gezwungen, sondern schon vor dem Musizieren als Freund begrüßt, den man dann mit Musik beschenkt.

Die Besetzung Violine, Violoncello und Orgel für den basso continuo der Barockmusik war dazu prädestiniert, das Konzert mit Triosonaten und ihren herrlichen Zwiegesängen zwischen Violine und Violoncello wenigstens einzurahmen. Wie Peter Clemente (Violine) und David Pia (Violoncello) bereits bei einer Triosonate von Antonio Vivaldi miteinander sangen, wie sie sich gegenseitig melodisch imitierend hintereinander einsetzten und schließlich in gefühls- und ausdrucksvollen Terzen und Sexten schwelgten, das war einfach beglückend. Eine Triosonate von Jean-Marie Leclaire, der sich lieber an Couperin als an Vivaldi orientierte, brachte zudem französischen Esprit in das stets von Wohllaut gesättigte Musizieren.

Auch die an sich ganz anders geartete, schwerfälligere norddeutsche Schule um König Friedrich II. in Berlin konnte sich nicht der italienischen Weltsprache dieser Zeit entziehen. Das zeigte eine Triosonate von Johann Joachim Quantz, der im übrigen mindestens 200 Flötensonaten für seinen König geschrieben hat.

Als großes Orgelsolo spielte Nicole Hartseeker die Fantasie in G-Dur von Johann Sebastian Bach, wobei sie den ersten Satz "Très vitement" sehr leicht nahm und die Möglichkeiten der kleinen Dorfkirchenorgel gut ausnützte. David Pia brachte mit einer Sonate für Violoncello und basso continuo von Vivaldi seinen schönen, eben auch singenden Celloton bestens zur Geltung.

"Singen! Erst mit der Kehle, dann auf dem Instrument: singen!" Das verlangt der größte italienische Geiger und Musikgelehrte dieser Zeit, Giuseppe Tartini. Peter Clemente hielt sich daran, als er Tartinis Sonate g-Moll op. 1 Nr. 10 mit herrlichem, strahlenden und singenden Geigenton spielte. Er stand dabei im Chor der Kirche, während ihn Nicole Hartseeker an der Orgel von der Orgelempore aus begleitete. Das Zusammenspiel war über diese große Distanz perfekt. Die Konstellation dieses Musizierens bezog den Kirchenraum mit auffällig gemalter Scheinarchitektur in besonderer Weise ein.

Im Auszug des Hochaltares thront in der Regel die Heilige Dreifaltigkeit, in der Kirche zu Egenburg aber ist es eine Kopie des Gnadenbilds "Mutter der Schönen Liebe" aus Wessobrunn. In Wessobrunn weiß man, dass hier ein Benediktiner- Mönch des frühen 18. Jahrhunderts eine ihm nahestehende schöne junge Frau gemalt hat, die erst später zur heiligen Maria umgewidmet wurde. Diese Geschichte ist so menschlich und anheimelnd wie das bei aller Virtuosität freundliche Musizieren des Clemente-Trios.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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