Nach der Abschlussfeier ist viel fotografiert worden: Stolze Schulabgänger mit dem Zeugnis in der Hand, aufgenommen von ihren mindestens ebenso stolzen Eltern. Einer, der sich an diesem Tag ganz besonders über sein Zeugnis freute, ist Mustafe Mahamed Salebaan. Nach nur eineinhalb Jahren an einer deutschen Schule hat er an der Mittelschule Odelzhausen seinen Quali gemacht.
Als Mustafe vor zwei Jahren nach Deutschland kam, sprach er noch kein einziges Wort Deutsch. Der 19-Jährige kommt aus Somalia. Er musste Mogadischu, wo nach wie vor Eltern und Geschwister leben, wegen der dortigen Kriegszustände verlassen. Die neunmonatige Flucht führte ihn über Sudan, Libyen und Italien schließlich nach München und von dort ins Egenburger Pfarrheim. Dass Mustafe zusammen mit fünf weiteren jungen Somalis und vier Nigerianern gerade hier aufgenommen wurde, war mit Sicherheit eine glückliche Fügung: Sehr rasch bildete sich ein Helferkreis, der die jungen Männer seitdem begleitet. Ein gutes Dutzend Frauen und Männer kümmert sich um alle Belange der Asylsuchenden; viele persönliche Beziehungen entwickelten sich. "Wir haben hier praktisch ein Eins-zu-eins-Verhältnis von Betreuten und Betreuern", sagt Klaus Reindl, einer der Helfer.
Schon bald wurden in Egenburg Deutschkurse organisiert, in denen die jungen Flüchtlinge erste Bekanntschaft mit der deutschen Sprache machten. Nach nur wenigen Monaten stand fest: Mustafe soll in eine reguläre Schule gehen. Die Leiterin der Grund- und Hauptschule in Odelzhausen, Cordula Weber, wäre nicht verpflichtet gewesen, ihr Einverständnis zum geplanten Schulbesuch zu geben, da Mustafe bereits älter als 16 Jahre war. Sie tat es dennoch und ermöglichte damit, dass er vom Januar 2015 an die achte Klasse der Mittelschule besuchen konnte.
Einfach war der Weg bis zum Quali für Mustafe aber keineswegs. Erst einmal verstand er in der Schule nichts. "Ich wollte eigentlich wieder aufhören", sagt er rückblickend. Aber seine Lehrer Robert Schweigert und Martin Weiderer hätten ihm viel geholfen, ebenso auch sein Sitznachbar, und die Menschen im Helferkreis hätten ihm immer wieder Mut gemacht. "Es sind so viele, die da mitgemacht und ihn unterstützt haben, die mitgeholfen haben, dass er in unsere Kultur hineinwächst", sagt Annelie Reindl, in deren Familie sich Mustafe inzwischen ebenso zu Hause fühlt wie die eigenen Kinder.
Zur guten Aufnahme in der Schule kamen noch andere glückliche Umstände hinzu. Mustafe freundete sich mit einem Egenburger Geschwisterpaar aus seiner Klasse an, spielte mit seinen Freunden zusammen Fußball im örtlichen Sportverein, und lernte dabei - im wahren Sinn des Wortes - spielerisch Deutsch zu sprechen. "Oder eigentlich Bairisch", sagt er lachend, denn selbst auf WhatsApp verläuft die Kommunikation oft auf Bairisch. Die glücklichen Umstände und die Hilfe der Menschen um ihn herum sind das eine, Mustafes Ehrgeiz, seine Einstellung zur Schule und zum Lernen das andere. "Er ist ein sehr heller Kopf", sagt eine Frau aus dem Helferkreis, und auch in Mustafes Zeugnissen wird neben seinem offenen Charakter sein großes Interesse am Unterricht gelobt.
Klare Vorstellungen hat Mustafe, was die Zukunft betrifft: Er möchte eine Lehre im Einzelhandel beginnen, am liebsten in einem Bekleidungsfachgeschäft. Noch hat er keine Zusage, weshalb er erst einmal in einem Projekt der Arbeitsagentur seine ohnehin sehr guten Deutschkenntnisse noch weiter ausbauen und sich gleichzeitig auf das Berufsleben vorbereiten will. Und irgendwann im späteren Leben möchte er in seiner Heimat an Projekten mitarbeiten, mit denen er seine Landsleute beim Aufbau besserer Versorgungsstrukturen unterstützen kann.