Die Herde wächst und wächst:Zwergzebus wird das Gehege zu klein

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Halterin Christine Scherr und ihre Tochter Marie-Sophie aus Kollbach bei Petershausen suchen dringend nach einer fünf Hektar großen Weide. Bei den Rindern handelt es sich um eine seltene Rasse in Europa und Südasien

Von Gudrun Passarge

Tiere spielen im Leben von Christine Scherr aus Kollbach bei Petershausen eine große Rolle. "Können wir nachher telefonieren?" fragt sie bei einem Anruf, sie müsse erst in den Vogelpark nach Olching fahren, weil sie zwei kleine Spatzen gefunden hat, die aus dem Nest gefallen sind. Dann ist da noch Xaverl. Das Zwergzebukalb wurde per Kaiserschnitt entbunden. Seine Mutter habe ihn geliebt, berichtet die Rinderzüchterin, aber sie habe ihn nicht ans Euter gelassen. Also wohnt Xaverl in Scherrs Garten in Kollbach und wurde mit der Flasche aufgepäppelt. Aber Xaverl sucht ein neues Zuhause, so wie die gesamte Zwergzebuherde von Christine Scherr, die momentan keine ruhige Minute mehr hat, weil ihr die Weide zum 31. August gekündigt wurde.

Zwergzebus sind kein alltäglicher Anblick in Oberbayern, man schaut zweimal hin, wenn man sie zwischen den Kiefern der Heidelandschaft in Hochbrück herumlaufen sieht. 2004 hat die 67-Jährige mit der Zucht begonnen, elf Tiere waren es am Anfang. Was sie an der Rasse so fasziniert hat? "Einfach, weil sie klein und widerstandsfähig sind. Und weil sie unproblematisch und anspruchslos sind. Natürlich auch, weil sie exzellentes Fleisch liefern."

Christine Scherr kann noch einige Vorteile dieser Rasse aufzählen. Zum Beispiel, dass sie sich eigentlich ihr Futter selbst verdienten, "weil sie in Naturschutzgebieten alles sauber auffressen." Die Rinder seien noch besser als Schafe, weil ihr Kot Käfer und Vögel anziehe und auf diese Weise ziemlich schnell wieder verschwinde. Erst kürzlich kam jemand, der gerne zwei Tiere kaufen möchte, weil er gehört hat, dass sie sogar Sauerampfer fressen. Doch trotz all dieser guten Eigenschaften hat Christine Scherr gewaltige Probleme mit ihrer Herde, und das schon seit mehr als zehn Jahren. So lange schon dauern die Streitigkeiten mit dem Veterinäramt des Landratsamts im Landkreis München an. Auch einige Gerichtsprozesse wurden schon ausgefochten, unter anderem hatte das Landratsamt ein Halterverbot ausgesprochen, gegen das Scherr immer noch protestiert. Vor allem ging der Streit auch um die Ohrmarken. Christine Scherr weigerte sich jahrelang, die Kälber zu markern. Die Marken seien viel zu groß für die kleinen Ohren, sagt sie und berichtet von Fällen, in denen die Marken ausrissen und die Ohren zerfetzt waren.

Zurzeit befindet sich die Zwergzebu-Herde auf dem ehemaligem Gebiet der Bundeswehr in Hochbrück im Landkreis München. (Foto: lukasbarth.com)

Scherr beruft sich auf eine EU-Verordnung, wonach die Tiere erst mit sechs Monaten gemarkert werden müssen, das Veterinäramt fordert deutsches Recht ein. Es geht um die Untersuchung, ob die Herde BHV1-frei ist, also frei von einer Art Herpes-Virus bei Rindern. Dazu werden Blutproben genommen, die der Marke im Ohr zugeordnet werden. Scherr sagt, sie habe alle Tiere untersuchen lassen, und legt die Unterlagen vor, doch das Amt verweigerte die Bescheinigung, weil nicht alle Rinder registriert waren. Ein Teufelskreis, denn ohne die Bescheinigung habe sie keine Tiere veräußern können, erzählt die Züchterin, die Herde sei auf 150 Tiere gewachsen. "So viele wollte ich nie haben."

Doch mittlerweile hat ein Gespräch mit der Behörde stattgefunden, das Scherr als sehr positiv bezeichnet. Es habe wohl einige Missverständnisse gegeben, sagt sie, und hofft, dass sie jetzt ausgeräumt seien. Sie werde allen Tieren Ohrmarken anlegen, auch den Kälbern, die Marken lägen schon bereit. Außerdem möchte sie Tiere verkaufen. Um die 60 herum werden die Reise nach Schleswig-Holstein antreten, ein Viehhändler will sie erwerben. Und es gibt noch andere Interessenten. "Es geht tröpfelweise weiter", sagt Scherr. Das Landratsamt München unterstützt die Bemühungen, "wir würden es sehr begrüßen, wenn die Tierhalterin Rinder verkaufen möchte", teilt die Behörde mit.

Christine Scherr kümmert sich um Xaverl. (Foto: Niels P. Jørgensen.)

Damit wäre ein Teil des Problems gelöst, doch für die Züchterin ist es gravierender, dass sie nicht weiß, wohin mit ihren Tieren. Momentan stehen sie auf ehemaligem Gebiet der Bundeswehr in Hochbrück, aber sie müssen das Gelände verlassen, weil es als Ausgleichsfläche benötigt wird. Warum sich das mit der Rinderhaltung beißt, erklärt Scherr so, es gehe um den Stickstoffgehalt, der sei für ein Ausgleichsgebiet mit Magerwiesen zu hoch, weil sie Heu zufüttere, so die Argumentation. Dabei hätten ihr andere Besucher nach einem Besuch auf der Weide bestätigt, dass genau die Blumen, die dort wachsen sollen, auch dort sprießen. Dass es zu viele Tiere auf der Fläche seien, dem stimmt sie zu, "aber ich will ja auch künftig weniger haben." Sei es, wie es sei, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat ihr jetzt mitgeteilt, am 1. September Räumungsklage einzureichen, wenn die Zwergzebus die Weide bis dahin nicht verlassen haben.

Jetzt sucht sie also, fährt immer wieder zu neuen Besichtigungsterminen, macht sich Hoffnung und wird dann doch enttäuscht, weil es aus irgendwelchen Gründen nicht klappt. Am liebsten wäre ihr ein Hof, auf dem sie und ihre Tochter zusammen mit den Tieren leben könnten. Wenn es aber keinen Hof gibt, dann müssen es eben geeignete Flächen sein, die sie von Kollbach in der Gemeinde Petershausen aus einigermaßen gut erreichen könnte. Fünf Hektar Land würden ausreichen für etwa 40 Tiere, die sie behalten möchte. Sie möchte einen Schnitt machen und die Herde an ihre Tochter Marie-Sophie (25) übergeben. Scherr muss sich wieder um Xaverl kümmern. Er wartet auf seine Flasche und auf die Fellpflege. "Das machen die Mütter nach dem Säugen auch immer so." Wo Xaverl zukünftig auf der Weide stehen wird, ist noch ungewiss.

Christine Scherr ist telefonisch unter 0170/931 65 93 zu erreichen.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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