Debatte um Wachstum:Odelzhausen franst aus

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Das Landratsamt warnt die Gemeinde vor Zersiedelung. Einige Gemeinderäte sorgen sich vor zunehmendem Autoverkehr. Doch der Bürgermeister möchte Einheimischen die Möglichkeit geben, für ihre Kinder zu bauen

Von Horst Kramer

Odelzhausen - Innenentwicklung vor Außenentwicklung - so lautet seit einigen Jahren eine Grundregel im Städtebau. Sie besagt: Bevor Ortschaften weiter in die Landschaft wachsen und Natur und Umwelt belasten, sollen erst einmal Baulücken im Ortsinneren geschlossen werden. Die Regel hat sogar Eingang ins aktuelle Landesentwicklungsprogramm der Bayerischen Staatsregierung gefunden. Soweit die planerische Theorie. Die Praxis ist eine andere, wie dieser Tage in der Boomkommune Odelzhausen zu besichtigen ist.

In Odelzhausen wachsen nicht nur die Gewerbeflächen, sondern auch die Einwohnerzahlen. Derzeit wohnen etwa 5400 Menschen in der westlichen Landkreisgemeinde. Deswegen - weil der Wohnraum gebraucht wird - hat der Gemeinderat nun zwei Bauvorhaben abgesegnet, die dem oben zitierten Grundsatz widersprechen - zumindest in den Augen des Landratsamts und einiger Freien Wähler. Im Westen des Ortsteils Höfa sollen demnächst zwei Einfamilienhäuser entstehen, auf einer Fläche von rund 2800 Quadratmetern, die bis dato nicht als Baufläche ausgewiesen war. Der Bauherr stammt aus der Gemeinde, die Wohnungen sind für Familienangehörige gedacht. Ein typischer Fall, der aber dennoch die Dachauer Prüfungsbehörde auf den Plan rief. Sie sieht eine Gefahr der "Zersiedelung" durch eine "bandartige Siedlungsstruktur", denn die beiden geplanten Häuser würden "fingerartig" oder "dornartig" in die Landschaft weisen.

Odelzhausens Bürgermeister Markus Trinkl (parteifrei) ist sich der planerischen Problematik bewusst. Er hält dem Landratsamt entgegen: "Die Gemeinde bemüht sich ja, den Innenraum weiter zu entwickeln. Aber ich kann Grundstücksbesitzer nicht zum Bauen oder zum Verkauf zwingen." Der Bedarf sei vorhanden, gerade bei der einheimischen Bevölkerung.

Wie auch der zweite Fall zeigt. Hier geht es um drei Einfamilienhäuser, die eine Familie am Ostrand Ebertshausens für ihre mittlerweile erwachsenen Kinder errichten will. Ein Vorhaben, das im Gemeinderat prinzipiell auf Zustimmung traf. Zumal die Gemeinde die Hälfte des neuen Baulands von insgesamt 4800 Quadratmeter selber vermarkten kann - im vergangenen Jahr hatte das Gremium ein neues, EU-konformes Baulandmodell verabschiedet.

Erst als Trinkl andeutete, dass die gesamte Nordseite der St.-Benedikt-Straße einmal zum Wohngebiet werden könnte, regte sich Widerspruch. Johanna Winkler (FW) meinte: "Gegen Nachgeborene gibt es nichts einzuwenden, doch ein weiteres Wachstum der Dörfer sehe ich mit Skepsis." Sie verwies auf ihre frühere Kritik an Bauvorhaben in Essenbach oder Sixtnitgern. Ihre Fraktionskollegin Bruni Kiemer ergänzte: "Angesichts der demografischen Entwicklung sollte sich die Ortsentwicklung auf den Kernort beschränken." Dort könnten ältere Mitbürger Geschäfte und Versorgungseinrichtungen fußläufig erreichen. Das Wachstum von Dörfern würde hingegen zwangsläufig zu mehr Verkehr führen. Das Baulandmodell für Nachgeborene anzuwenden, befand Kiemer hingegen für richtig. Fraktionskollege Willi Wegele stellte daher die Idee in den Raum, eine Ausnahme vom Baulandmodell in Erwägung zu ziehen.

Bürgermeister Markus Trinkl an der Glonnwiese nahe Höfa. Eine Nachverdichtung im Ort könne man nicht erzwingen, sagt er. (Foto: Toni Heigl)

Trinkl hielt entgegen: "Wir haben jetzt den ersten Anwendungsfall unseres neuen Modells. Sofort mit einer Ausnahme zu beginnen, halte ich nicht für sinnvoll." Überhaupt sei bei jedem Vorhaben erst einmal die Frage zu stellen: "Ist sie städtebaulich sinnvoll?" Erst dann stelle sich die Frage nach einer Anwendung des Baulandmodells. Ob Nachgeborene davon profitierten, folge erst an dritter Stelle.

Bruni Kiemer hakte nach: "Im Jahr 2030 wird die Hälfte der Bevölkerung älter als sechzig Jahre sein. Einfamilienhäuser weit draußen führen zwangsläufig zu Problemen." Trinkl zog daraufhin eine neue Argumentationslinie ein: "Ebertshausen ist einer der größten Teilorte der Gemeinde eine Entwicklung halte ich für gerechtfertigt." Der Ort hat 280 Einwohner. Das Vorhaben der zwei Häuser in Höfa wurde mit der Gegenstimme Kiemers beschlossen, Winkler durfte aus verwandtschaftlichen Gründen nicht mitstimmen. Das Bauprojekt in Ebertshausen traf auf die Ablehnung Kiemers, Winklers und Wegeles.

© SZ vom 11.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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