Dachauer Schlosskonzerte:Nach Belieben

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Der das Publikum zu einem Beifallssturm hinreißende "Wurf" war das als Zugabe rhythmisch feurig gespielte recht bekannte Stück "Hava Nagila". (Foto: Toni Heigl)

Die erste Veranstaltung nach der Sommerpause ist von Mozarts Musik inspiriert

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Da das Concertino von Helmut Schmidinger gewissermaßen im Mittelpunkt des ersten Dachauer Schlosskonzerts nach langer Sommerpause stand, erscheint es notwendig, auf den etwas komplizierten künstlerischen Sachverhalt und Hintergrund einzugehen, ohne den diese Musik nicht wirklich verstanden werden kann: Von den von Mozarts Musik inspirierten musikalischen Werken sind wohl die Mozartvariationen von Max Reger am bekanntesten geworden. Jetzt hat der österreichische Komponist Helmut Schmidinger ein Concertino "a piacere" für Klavier und Streichquintett geschrieben, dessen melodisches Material dem Eingang zu einer Miniaturkadenz aus dem ersten Satz von Mozarts Klavierkonzert C-Dur KV 415 entnommen ist.

Die Komposition bewegt sich als "Appropriation Art" auf der Höhe der Zeit, denn diese ist eine wichtige Strömung der Postmoderne. Schon im Jahr 2002 wurde festgestellt: "Appropriation ist gleichsam ins Repertoire eingegangen, ist künstlerischer Standard geworden", schrieb der Komponist Michael Emanuel Bauers in seinem Plädoyer für "Avancierten Eklektizismus". Ein aus dem musikalischen Zusammenhang gerissenes Mozart-Zitat eignete sich gut als Grundlage für eine postmoderne Komposition in Form von Variationen, in welchen das Klangliche im Vordergrund steht. Der Pianist wie die begleitenden Streicher müssen vor allem raffinierte Trillerketten und sehr schnelle Tonrepetitionen beherrschen. Der Pianist Christoph Soldan und die Schlesischen Kammersolisten, die das Werk im Februar 2015 zur Uraufführung brachten, sind gewiss die einzigen, die es spielen - ohne sie wäre es nie nach Dachau gekommen. Das der Komposition als Hinweise für die Gestaltung beigegebene "a piacere" heißt zu deutsch "nach Belieben", was sich auf rhythmisch freiere Kadenzen des Klaviers bezieht. "Piacere" heißt aber auch "gefallen, schmecken". Das ist aber individuell ganz verschieden.

Zur Hinführung an Schmidingers "Concertino" spielte Christoph Soldan mit den Schlesischen Kammersolisten Mozarts Klavierkonzert C-Dur KV 415 in der von Mozart zugelassenen Fassung für Klavier mit Begleitung eines Streichquintetts. Die Aufführung dieses Konzerts war problematisch. Die Schlesischen Kammersolisten spielten mit auffallend weichem Streicherklang ausgesprochen kammermusikalisch. Christoph Soldan dagegen ließ sich von Mozarts Musik nicht zu feinem Spiel inspirieren, sondern spielte grob, oberflächlich virtuos. An das fein differenzierte Spiel und die eleganten, perlenden Läufe der großen Mozart-Pianisten durfte man überhaupt nicht denken.

Die Schlesischen Kammersolisten hatten ihre große Stunde nach der Pause, als sie das Quintett G-Dur für Streichquartett und Kontrabass von Antonin Dvorak spielten. Auch hier stand der weiche Klang des Ensembles im Vordergrund und prägte das gesamte Musizieren. Von rhythmisch und tonlich recht straffen Aufführungen ausgehend glaubt man in diesem Werk eine im Vergleich zu Früherem gesteigerte Vitalität zu sehen. Das war hier nicht der Fall, hier war man glücklich, Dvoraks Quintett op. 77 als wunderbare, überaus musikalisch gespielte Kammermusik erleben zu dürfen. So unaufdringlich schön, auf Wärme und nie auf vordergründige Virtuosität abzielend hört man Kammermusik heute im Konzertsaal eher selten. Der das Publikum zu einem Beifallssturm hinreißende "Wurf" aber war das als Zugabe rhythmisch feurig gespielte, recht bekannte Stück "Hava Nagila".

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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