Müllverbrennungsanlage für Dachau und Fürstenfeldbruck:Zukunft unklar

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Das gemeinsame Entsorgungsunternehmen GfA der Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau birgt viel Konfliktpotenzial. Die Debatten über die Zufahrt, den Ausbau und die Umwandlung zum Energieversorger stehen für Versäumnisse und den Wandel der Kommunalpolitik

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck/Dachau

Als am 26. April 1983 die beiden Landräte aus Fürstenfeldbruck und Dachau mit einigen wenigen Kreisräten aus beiden Landkreisen das gemeinsame Unternehmen zum Betrieb der späteren Müllverbrennungsanlage in Geiselbullach gründeten, waren Landräte noch Provinzfürsten, und Kommunalpolitik wurde viel hemdsärmeliger betrieben als jetzt. Das Protokoll der Gründungssitzung verwahrt das Unternehmen wie eine Reliquie hinter Glas auf. Da weitere Erläuterungen oder Angaben zu den Zielen ganz fehlen, passt das Dokument auf ein einziges Din-A-4-Blatt. Es wurde nämlich lediglich beschlossen, die Firma zu gründen. Die Ehefrau eines Brucker Kreistagsmitglieds wurde zur Geschäftsführerin bestellt und der Termin der nächsten Sitzung bestimmt. Das musste genügen.

Dass sich das spätere "Gemeinsame Kommunalunternehmen für Abfallwirtschaft" (GfA) zu einem politischen Dauerbrenner entwickeln würde und dass eines der Hauptprobleme an einem Versäumnis der Gründung lag, das war im Frühjahr 1983 noch nicht abzusehen. Das ergibt sich erst im Rückblick aus end- und bisher ergebnislosen politischen Auseinandersetzungen sowohl im Brucker Kreistag als auch mit dem Dachauer Partner. Auch wenn sich die Situation inzwischen beruhigt hat - vor allem weil zurzeit nicht einmal mehr von den Grünen ideologische Auseinandersetzungen um die richtige Müllentsorgung und -trennung geführt werden -, glich das Verhältnis zwischen Fürstenfeldbruck und Dachau in Bezug auf die Müllöfen lange eher dem Rosenkrieg eines alten, heillos zerstrittenen Ehepaares, denn einer Zweckgemeinschaft.

Und dieser Streit war vor zwanzig Jahren sogar noch das Hauptthema im Kommunalwahlkampf ums Brucker Landratsamt. Geblieben ist den Landkreisbewohnern aus diesen Auseinandersetzungen die Verpflichtung, den Hausmüll säuberlich zu trennen, die Wertstoffe zu Wertstoffhöfen zu bringen - und eine seit der Nachrüstung in den Neunzigerjahren relativ gut funktionierende Müllverbrennung.

Die die Kreispolitik lange dominierenden und den Kreistag in zwei Lager spaltenden Auseinandersetzungen um Müllmengen, schließlich reicht inzwischen die Hälfte der Verbrennungskapazitäten zur Entsorgung des kompletten Restmülls aus Bruck und Dachau aus, um die ideale Verbrennungstechnik, um Rauchgaslinien und Entsorgungs- und Mülltrennungskonzepte sind inzwischen abgeflaut. Geblieben ist ein Geburtsfehler, der die Kommunalpolitiker seit inzwischen 32 Jahren beschäftigt.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Über die Müllverbrennungsanlage in Geiselbullach...

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(Foto: Johannes Simon)

...wird derzeit viel diskutiert.

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(Foto: Günther Reger)

Durch diese Rohre erreicht die Fernwärme das Olchinger Schwaigfeld.

Zum Leidwesen der Olchinger und Geiselbullacher fehlt der Müllverbrennungsanlage von Anfang an eine direkte Zufahrt zur Stuttgarter Autobahn oder zur Bundesstraße 471, obwohl sie nur einen Steinwurf von beiden Trassen entfernt liegt. Weshalb Lastwagen zurzeit mit jährlich etwa 100 000 Tonnen Müll mitten durch die Stadt Olching fahren müssen. Laut GfA-Geschäftsführer Thomas König liegt der Anteil der täglich 80 bis 100 Müllfahrzeuge nur bei knapp drei Prozent am Verkehrsaufkommen der Straßen. Aber für die Wahrnehmung der Betroffenen, die bereits unter dem Verkehr vom überlasteten Straßen leiden, ist jedes einzelne Müllfahrzeug eines zu viel und zudem noch eine Gefährdung für die Schulkinder in Geiselbullach. Weshalb für sie das Herunterrechnen auf einen kleinen Prozentanteil kein Trost ist.

Die Olchinger sind jedoch nicht nur in der Position der Leidenden. Sie verfügen auch über ein politisches Druckmittel, um die immer wieder versprochene, aber nicht verwirklichte Erschließung einzufordern. Schließlich hat die Stadt die Planungshoheit für das Areal des GfA. Weshalb der Stadtrat bei jeder baulichen Erweiterungen auch ein gewichtiges Wort mitzureden hat. An dem Olchinger Junktim, Planungen nur dann zuzustimmen, wenn es im Gegenzug für Müllfahrzeuge eine Trasse von der A 8 oder der B 471 zu den Müllbunkern gibt, sind bereits im Vorfeld eine Reihe von Vorhaben gescheitert. Beispielsweise die Nutzung der zum Teil noch immer in die Luft verpuffenden Abwärme für Gewächshäuser, zum Betrieb eines Schwimmbades oder andere Vorhaben wie die Idee, im Niemandsland zwischen den beiden Landkreisen Windräder zu errichten oder das GfA zu einem Energieversorger auszubauen.

Obwohl viele Varianten geprüft wurden - favorisiert wurde lange eine Trasse von der B 471 bei Bergkirchen über die Amper direkt zur Müllverbrennungsanlage -, ist eine konkrete Lösung der Erschließungsfrage auch für die nächsten Jahre nicht in Sicht. Zurzeit wird über eine Zufahrt von der Stuttgarter Autobahn zum Geiselbullacher Marienweg diskutiert.

Immerhin wurde in den vergangenen Jahren zumindest ein Fernwärmenetz kontinuierlich auf- und ausgebaut, das die Abwärme der Öfen in das neue Olchinger Wohngebiet Schwaigfeld, das gigantische, an der Autobahn gelegene Gewerbegebiet in Bergkirchen im Landkreis Dachau und in die neuen Olchinger Gewerbeflächen an der B 471 leitet. Aber auch der sinnvolle Aufbau des Fernwärmenetzes nach Bergkirchen wäre fast am Veto des Brucker Kreistags gescheitert. Die Kommunalpolitiker stellten taktische politische Überlegungen über das, was aus Vernunftsgründen geboten war: nämlich Abwärme, die seit Jahren in die Luft geblasen wird, endlich zu nutzen und damit einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Erklären lässt sich eine solche Einstellung nur mit Vorbehalten aus einem langjährigen Streit.

Stellt sich der Diskussion: Geschäftsführer Thomas König. (Foto: Johannes Simon)

Gebaut wurde die Müllverbrennungsanlage, die 1986 in Betrieb ging, weil der Landkreis Fürstenfeldbruck keine eigene Mülldeponie mehr vorhalten wollte. Fürstenfeldbruck stellte das Baugelände, der Beitrag des Landkreises Dachau bestand damals darin, die Verantwortung für die Reststoffe zu übernehmen. Der Minderheitspartner, das GfA gehört zu zwei Dritteln dem Landkreis Fürstenfeldbruck und nur zu einem Drittel Dachau, verfügte nämlich in Jedenhofen über Deponieraum. Die 25 000 Tonnen Asche, die in Geiselbullach jährlich anfallen, werden jedoch nicht mehr in Jedenhofen, sondern in einem ehemaligen Salzbergwerk deponiert.

Die Achtzigerjahre, also die Bauzeit der Müllöfen, war noch eine Zeit, in der der Landkreis Fürstenfeldbruck eine ungenehmigte Mülldeponie betrieb, aus der später der Abfall mit einem großen finanziellen Aufwand wieder ausgebuddelt und zu hohen Kosten ordnungsgemäß entsorgt werden musste. Angestrebt wurde eine pragmatische Lösung für die Pflichtaufgabe Müllentsorgung. Das Umweltbewusstsein war damals noch unterentwickelt und steigende Zulassungszahlen von Autos wurden vom damaligen Landrat noch regelmäßig als Rekorde vermeldet.

Erst in den Neunzigerjahren stand bei den Auseinandersetzungen um die technische Umrüstung der die Umwelt erheblich belastenden Müllöfen der Umweltschutz im Fokus, also der Schutz der Anwohner sowie der verantwortungsvolle Umgang mit Müll. Weshalb man den Müll nicht mehr nur einfach loswerden wollte, sondern auch korrekt trennen und recyceln musste. Ja, der Landkreis Fürstenfeldbruck wollte bei der Mülltrennung ein Vorreiter sein. Als später der Klimawandel in den Vordergrund rückte und der Agenda-Musterlandkreis Fürstenfeldbruck nach der Jahrtausendwende mit der Gründung des Energiewendevereins Ziel 21 die Autarkie in der Energieversorgung anstrebte, verlagerte sich die Diskussion über das GfA zunehmend vom Müllentsorger zum Energieversorger.

Da jedoch ein politischer Konsens darüber besteht, die Abfallverbrennung in Geiselbullach nicht auszuweiten, ist entscheidend mehr Energie allein aus dem Einsatz anderer Rohstoffe zu generieren. Aus dieser Einsicht resultierten Überlegungen wie die, die Bioabfälle der beiden Landkreise in einer Biogasanlage zu entsorgen und damit neben Strom und Fernwärme auch Gas zu erzeugen. Eine solche Investition wäre nicht nur teuer und mit erheblichen unternehmerischen Risiken verbunden gewesen, sondern auch nur dann möglich, wenn das GfA den Geschäftszweck ändert und ein Eigentümerwechsel stattfindet. Den Landkreisen als Eigentümern ist es nämlich per Landkreisordnung untersagt, als Energieversorger auf dem Markt aufzutreten.

Wie bei vielen Dingen in der Kommunalpolitik enthält diese Argumentation einen Widerspruch. Warum kann ein gemeinsames Kommunalunternehmen von zwei Landkreisen zwar aus der Müllverbrennung Strom und Abwärme verkaufen, nicht aber aus einer Biogasanlage, die Biomüll verarbeitet? Mit dem Totschlagargument der Nichtzuständigkeit hat Landrat Thomas Karmasin (CSU) bisher sämtliche Anträge zum Ausbau in Richtung Energieversorger abgelehnt.

Während die politischen Diskussionen zur grundsätzlichen Ausrichtung des GfA öffentlich geführt werden, tagt der ebenfalls mit Politikern besetzte Aufsichtsrat des Unternehmens hinter verschlossenen Türen. Und die Kontrolleure sind zudem noch zum Stillschweigen verpflichtet. Die strikte Trennung zwischen den unternehmerischen Interessen und den politischen Zielen weist auf einen Interessenkonflikt hin. So mag es für einen Politiker zwar sinnvoll sein, eine Biogasanlage zu fordern, die er als Aufsichtsrat dann im Interesse des Unternehmens ablehnen muss.

Auch andere Dinge, die naheliegend wären, sind nicht möglich. So dürfen die Landkreise den Strom, den Generatoren aus der Abwärme der Müllöfen erzeugen, nicht in eigenen Liegenschaften verbrauchen, obwohl sie auf diese Weise viel Geld sparen könnten. Weil dieser Strom nicht an Endverbraucher geliefert werden darf, verkaufen ihn die Stadtwerke Fürstenfeldbruck auf Provisionsbasis an der Leipziger Strombörse zum Großhandelspreis. Dieser liegt zurzeit bei etwa drei Cent pro Kilowattstunde.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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