Podiumsdiskussion:"Vielleicht suchst du dir eine Freundin"

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"Ladies Talk": Den Fragen der Moderatorin Caroline Voit (3.v.r.) stellen sich die Politikerinnen (v.l.) Mechthild Hofner, Marianne Klaffki, Martina Purkhardt, Stephanie Burgmair und Ursula Kohn. (Foto: Toni Heigl)

Fünf Politikerinnen sprechen über ihre Erfahrungen als Frauen in der Politik. Doch statt eines emanzipierten Austausches erlebt das Publikum eine Klischee-Debatte.

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Am Ende des "Ladies Talk" in der Kulturschranne läuft eine 19-jährige Zuhörerin aus dem Publikum auf die Bühne. Sie möchte selbst politisch aktiv werden und sucht nun Rat bei den fünf Kreisrätinnen verschiedener Parteien, die sich an diesem Abend als Vorbilder auf dem Podium zeigen wollten. Die junge Frau wirkt sehr überzeugt. Kreisrätin Mechthild Hofner (ÖDP) will ihr trotzdem Mut zusprechen und rät: "Vielleicht suchst du dir eine Freundin dazu."

Da ist das Motto des Abends schon etwas eindeutiger: "Frauen - Macht Politik!" Das versprach im Vorfeld eine Kampfansage fünf erfahrener Politikerinnen und einen emanzipierten Austausch über die Hürden für Frauen in der Politik. Im Rahmen der Veranstaltung überreichen die fünf Rednerinnen Landrat Stefan Löwl (CSU) einen Antrag, der für mehr Gleichberechtigung im Kreistag sorgen soll: Sie fordern alle Fraktionen auf, eine Doppelspitze zu bilden. Denn hundert Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts bleibt die Gleichstellung in der Politik ein brisantes Thema. Moderatorin Caroline Voit sagt, die Anzahl der Frauen in politischen Gremien stagniere, gehe teilweise sogar zurück. Im Dachauer Kreistag sind von insgesamt 60 Kreisräten nur 16 weiblich. "Starke Frauen", nennt sie Löwl.

"Vier Kinder, sie macht das Rennen!"

Doch als diese selbst zu Wort kommen, ist von dem emanzipierten Frauenbild, das eigentlich als Grundlage der Debatte erwartet wurde, wenig zu spüren - vielmehr sprechen die Politikerinnen den Anwesenden Mut zu, bitten um männliche Förderung, plaudern über die Vereinbarkeit von Kindern und politischer Karriere. Passend dazu erhalten die vorwiegend weiblichen Gäste und die Rednerinnen vor der Diskussionsrunde ein pastellfarbenes Getränk, in zartem Glas, mit Strohhalm - "Ladies Cocktails" und "Ladies Talk", heißt es auf der Einladung des Landratsamtes.

Moderatorin Voit ist bemüht, die Debatte aufzubauen. In ihrer Begrüßung hebt sie hervor, wie viele Kinder die jeweilige Politikerin hat. Bei Mechthild Hofner wird ihre Stimme euphorisch: "Vier Kinder, sie macht das Rennen!" Formulierungen wie diese sollen unterhalten, berauben die Debatte im Laufe des Abends aber immer wieder ihrer Ernsthaftigkeit. Hofner, seit mittlerweile 18 Jahren aktiv in der Kommunalpolitik vertreten, lässt sich selbst zu einer solchen Äußerung verleiten: Zur Politik sei sie gekommen "wie die Jungfrau zum Kind" - unfreiwillig eben, lacht sie und liefert das passende Stichwort für die Moderatorin. Caroline Voit will wissen: Wie funktioniere das denn, Politikerin und gleichzeitig Mutter zu sein? Es folgt eine Reihe an Ratschlägen: Man könne sich mit dem Partner abstimmen, Stillen und gleichzeitig Politik machen.

"Würde man diese Frage auch einem Mann stellen?"

Einzig Marianne Klaffki (SPD) merkt, dass die Diskussion von ihrer gewünscht emanzipierten Perspektive abkommt: "Würde man diese Frage auch einem Mann stellen?", wirft sie ein. Würde man nicht, weiß das vorwiegend weibliche Publikum, das nun vorsichtig klatscht. Ursula Kohn (Grüne) ergreift nur selten das Wort, fügt aber jetzt an, sie hätte sich unter den Männern im Gemeinderat nie benachteiligt gefühlt. Mitreden zu können, sei ein gutes Gefühl.

Die Kritik, mit der Klaffki die Diskussionsrunde umzuleiten versucht, prallt ab und geht in der nächsten Frage unter. Martina Purkhardt (Freie Wähler) erzählt von ihren Anfängen in der Politik. Bereits nach dem ersten Anlauf schaffte sie es in den Gemeinderat. Sie wirkt stolz, sagt aber: "Als Frau braucht man einfach jemanden, der von hinten schiebt und einen, der von oben zieht - sonst schafft man es ja doch nicht." Stephanie Burgmaier (CSU) pflichtet ihr bei: "Frauen wollen, nein müssen gefragt werden." Ihren männlichen Kollegen sage sie immer: "Fragt Frauen mehrmals, nicht nur einmal."

Marianne Klaffki wird an dieser Stelle erneut unruhig. Die langjährige Kreisrätin widerspricht ihren jüngeren Vorrednerinnen. Sie wird die einzige bleiben, die das Wort "Parität" an diesem Abend in den Mund nimmt. Stephanie Burgmaier bemüht sich gleich, zu beschwichtigen: Einen Geschlechterkampf wolle man an dieser Stelle nicht losbrechen. Männern fehle häufig einfach die Sicht darauf, was Frauen leisten: "Sie versorgen Kinder, die Familie - und die Arbeitszeiten in der Politik sind nicht immer familienfreundlich", sagt Burgmaier und bezeichnet das als "Dreifachspagat".

"Männer sind da pragmatischer"

Einmal sagt Purkhardt, Frauen würden sich genauer und effizienter auf Sitzungen vorbereiten: "Männer sind da pragmatischer." Burgmaier stimmt ihr zu, Frauen müssten ihre Zeit besser und effizienter planen. "Wenn ein Mann einfach einen Karrieresprung macht, kommen bei der Frau vielleicht Kinder oder eine pflegebedürftige Mutter dazu." Dieses mal findet Mechthild Hofner direkte Worte: Sie wolle die Herangehensweisen in der Politik nicht am Geschlecht festlegen. "Typisch Mann oder typisch Frau gibt es hier nicht." Die Moderatorin hakt trotzdem nach bei Marianne Klaffki, die auf den Boden blickt und die Stirn runzelt. Ob es denn nicht Themen gebe, die frauenlastiger seien, in denen sich Frauen leidenschaftlicher engagieren könnten? "Ich glaube, dass wir hier schon ein Stück weiter sind", entgegnet die Sozialdemokratin. Und fühlt sich angehalten klarzustellen, dass sich Frauen nicht nur für Kultur, Schulen und Soziales interessierten, sondern genauso für Mobilität, Technik, Umwelt.

Nach der Diskussionsrunde wendet eine Zuschauerin ein, sie habe in der Diskussion nicht alle Lebensmodelle moderner und insbesondere junger Frauen repräsentiert gesehen. Auf welche Stelle der Debatte sie genau anspielt, bleibt offen. Doch die Zuhörerin meint: Heute hätte man ein veraltetes Frauenbild aufleben lassen.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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