Bürgermeister und Bauamtsleiter:"Wir brauchen ein gesundes Wachstum"

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Markt Indersdorf bereitet sich auf die Zukunft als eine der wichtigsten und begehrtesten Zuzugsgemeinden des Landkreises Dachau vor. Franz Obesser (CSU) und Erich Weisser erläutern den Entwurf für einen neuen Flächennutzungsplan

Interview von Robert Stocker

Baugrundstücke in Markt Indersdorf sind begehrt. Die Nachfrage ist wesentlich höher als das Angebot. Die drittgrößte Landkreisgemeinde mit 10 000 Einwohnern liegt an der S-Bahn-Linie Altomünster, ist ein wichtiger Schulstandort, hat ein Krankenhaus und ein Hallenbad, bietet gute Einkaufsmöglichkeiten und jetzt auch ein flächendeckendes schnelles Internet. Markt Indersdorf ist als Wohnort gefragt. Doch wo soll die Gemeinde weiter wachsen - und vor allem wie? Der bestehende Flächennutzungsplan stammt aus dem Jahr 1977 und erfüllt nicht mehr die Anforderungen einer vorausschauenden Bauleitplanung. Jetzt wird der Plan überarbeitet und in einer Sondersitzung Ende September dem Gemeinderat vorgelegt. Bürgermeister Franz Obesser (CSU) und Bauamtsleiter Erich Weisser erläutern die Ziele der neuen Planung und erklären, wo die Gemeinde wachsen kann. Beide geben sich optimistisch.

SZ: Der Siedlungsdruck in Markt Indersdorf steigt, andererseits ist das Bauland knapp. Wer dennoch eines der raren Grundstücke ergattern kann, muss tief in die Tasche greifen. Wird sich die Situation bald entspannen, indem die Gemeinde mehr Bauland ausweist?

Bürgermeister Franz Obesser: Die Baulandpreise sind sicher gestiegen. Der neue Flächennutzungsplan ist eine Absichtserklärung, wie sich die Gemeinde in den nächsten 15 Jahren entwickeln kann. Alles, was hier als Bauland ausgewiesen ist, wird sicher nicht zugepflastert werden. Wir sind beschränkt in der Entwicklung, durch die Glonn oder durch die Umgehungsstraße. In den meisten Fällen ist die Gemeinde nicht Grundstückseigentümer, wir müssen das Bauland zusammen mit den Eigentümern entwickeln. Der Flächennutzungsplan ist nur der erste Schritt.

Welche Ziele hat der neue Flächennutzungsplan?

Bauamtsleiter Erich Weisser: Der alte Flächennutzungsplan stammt aus dem Jahr 1977 und ist mittlerweile 23 Mal geändert worden. Er war bisher ein Flickerlteppich, was den Vorgaben des Gesetzgebers widerspricht. Er ist eine Bestandsaufnahme der vergangenen Entwicklung und hat nichts mit einer vorbereitenden Bauleitplanung zu tun. Ziel ist es, aufzuzeigen, wo eine Bauplanung stattfinden könnte.

Obesser: Die Hauptentwicklung soll im Kernort Indersdorf und in Niederroth und nicht in den Außenbereichen stattfinden. Das heißt nicht, dass dort jemand für seine Kinder nicht ein Einfamilienhaus bauen kann. Aber die großen Baugebiete werden hier nicht entstehen. Wir wollen hier den ländlichen Charakter erhalten.

Beim Thema Wachstum sind die Indersdorfer Bürger in zwei Lager gespalten. Die einen haben Angst vor ungezügeltem Zuzug, die anderen klagen, dass es zu wenig Bauland gibt. Wie kann die Gemeinde diese Gratwanderung meistern?

Das barocke Klosterareal wird zur Zeit für einen zweistelligen Millionenbetrag saniert. Eine Umgehungsstraße soll den Verkehr vom Kloster fernhalten, das eine Realschule beherbergt. Der Anfang ist gemacht. Der Kreisel steht bereits beim Gewerbegebiet. Jetzt muss der Landkreis nur noch bauen. (Foto: Toni Heigl)

Obesser: Genau, das sind die zwei Kernaussagen. Wir müssen uns dieser Gratwanderung stellen. Ein gesundes Wachstum ist aber sinnvoll.

Wo sind größere neue Baugebiete geplant?

Obesser: Sicher nicht im Hochwassergebiet oder im Bereich der Umfahrung, auch die Grünzüge brauchen wir. Es könnte Nachverdichtung in einem Bereich des Gewerbegebiets geben. Außerdem gibt es Möglichkeiten in Richtung Cyclostraße auf dem Kirchfeld und auch in Richtung Westerholzhausen rechts neben der Schule. Was letztendlich als Baugebiet realisiert werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab. Die Grundstückseigentümer müssen mitziehen.

Wird es Modelle für Einheimische geben?

Obesser: Ja, das fassen wir ins Auge.

Welche Kriterien gelten für Bauwillige?

Weisser: Einheimische sollen Vorrang haben und günstig Bauland erwerben können. Die Kriterien werden dieselben wie bisher sein. Interessenten müssen mindestens vier Jahre in Indersdorf wohnen, eine Rolle spielen auch die Lebensgemeinschaft und Kinder. Berücksichtigt wird auch, ob weitere Angehörige in dem Haus leben werden. Dafür gibt es ein Punktesystem, das aber für die Vergabe bisher keine Rolle gespielt hat.

Der Landkreis fordert immer wieder die Gemeinden auf, den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. Doch die Gemeinden winken ab, weil sie keine Flächen haben.

Obesser: Ja, das Problem sind wirklich die Flächen. Wir verwirklichen jetzt das Caritas-Projekt am Bahnhof für sozial schwache Senioren. Wir werden uns der Problematik weiter stellen, aber es ist eine Sache der Flächen und der Finanzierbarkeit.

Weisser: Wir brauchen auch die Investoren dafür.

In Markt Indersdorf gibt es viele Beispiele für Innenverdichtung, etwa das Holdenried- und das Loderer-Anwesen, das ehemalige Baywa- oder das Klostergelände. Gibt es für die Innenverdichtung noch weiteres Potenzial?

Weisser: Wir haben noch eine Fläche hinter dem Holdenried-Anwesen, außerdem wird sich an der Wöhrer Straße wohl etwas tun. Da soll auch ein Bebauungsplan kommen. Viele Anlieger sind schon alt, die Erben werden ein Interesse an der Entwicklung haben. Das überlassen wir aber den Eigentümern.

Der Indersdorfer Bürgermeister Franz Obesser und Bauamtsleiter Erich Weisser. (Foto: Toni Heigl)

Obesser: Oft wird auch neuer Wohnraum geschaffen, indem bestehende Häuser aufgestockt werden.

Bei den Innenverdichtungen entsteht häufig mehrgeschossiger Wohnungsbau. Vielen Bürgern ist diese Bebauung zu massiv und zu städtisch.

Obesser: Das ist wieder eine Gratwanderung. Wir brauchen auch eine gemischte Bebauung. In Karpfhofen an der Arnbacher Straße entstehen jetzt auch Reihenhäuser. Man muss nicht überall ans Maximum gehen. Wegen des Wohnungsbaudrucks wird heute öfter dichter gebaut als früher. Junge Familien wollen häufig keinen großen Garten mehr, der ist ja auch Bauland, das man zahlen muss. Da hat sich vieles gewandelt.

Wird es neuen Wohnungsbau im Gewerbegebiet geben?

Weisser: Im Gewerbegebiet nicht, allenfalls Betriebsleiterwohnungen sind hier möglich. Eine Ausnahme ist der Bereich an der Bahnlinie. Hier war schon immer allgemeines Wohnen im Flächennutzungsplan vorgesehen. Dort haben wir einen Lösungsansatz aufgezeigt, wie man Wohnungsbau realisieren kann, ohne dass das Gewerbe, aber auch das Wohnen beeinträchtigt wird. Ziel ist es, diesen Teil des Gewerbegebiets langfristig in ein Wohngebiet umzuwandeln. Das sind Brachen in der Nähe der ehemaligen Tennishalle, auf denen sich kein neues Gewerbe ansiedeln lässt. Außerdem braucht man keine neuen Flächen dafür. Das kann man relativ wirtschaftlich umsetzen. Im Außenbereich ist das völlig anders, da braucht man eine zusätzliche Infrastruktur. Es ist das Ziel der Gemeinde, solche Flächen nachzuverdichten.

Indersdorf bietet eine gute Infrastruktur. Schulen, S-Bahn-Anschluss, Krankenhaus, gute Einkaufsmöglichkeiten und jetzt schnelles Internet. Die drittgrößte Landkreisgemeinde mit inzwischen 10 000 Einwohnern bietet Menschen viele Anreize, dorthin zu ziehen.

Obesser: Der Siedlungsdruck auf München und den Ballungsraum ist immens. Das zeigt sich auch darin, dass die Landeshauptstadt jetzt das Gespräch mit den Umland-Gemeinden sucht. Wir sind froh über unsere gute Infrastruktur und unsere schöne Landschaft, und die ziehen eben viele Menschen an. Aber noch einmal: Wir brauchen ein gesundes Wachstum.

Wo kommen eigentlich die meisten Neubürger her?

Weisser: Das ist völlig unterschiedlich. Viele kommen auch nicht bewusst nach Indersdorf. Junge Lehrer zum Beispiel werden den Schulen im Landkreis zugeteilt. Wenn einer beispielsweise aus Franken kommt, sucht er sich erst einmal ein Appartement. Manchen gefällt In- dersdorf dann so gut, dass sie langfristig hier bleiben wollen. Viele haben in München einen Arbeitsplatz, aber dort ist eine Wohnung für eine Familie mit Kindern teuer. Ich erhalte regelmäßig E-Mails von Leuten, die deshalb eine Wohnung suchen.

Eine Umgehungsstraße soll den Verkehr vom Kloster fernhalten. (Foto: Toni Heigl)

Das Indersdorfer Geschäftsleben spielt sich inzwischen weitgehend im Gewerbegebiet Richtung Dachau ab. Einige Geschäfte sind vom Marktplatz sogar ins Gewerbegebiet gezogen. Wird es weiter expandieren?

Obesser: Die Nachfrage von Unternehmen ist weiterhin hoch. Wir haben eine schöne

Mischung: Indersdorfer Geschäfte, die sich hier vergrößert haben, aber auch auswärtige Unternehmen. Wir haben dort nicht nur Einzelhandel, sondern auch Firmen mit pfiffigen Geschäftsideen. Die Mischung hier ist recht gelungen.

Indersdorf erstickt mittlerweile fast im Verkehr. Eine Ortsumfahrung soll Entlastung bringen. Wann ist die Südspange fertiggestellt?

Obesser: Das hängt entscheidend vom Landkreis ab, der das Teilstück vom Kreisverkehr am Gewerbegebiet zur Kreisstraße DAH 9 nach Röhrmoos baut. Die Planfeststellung soll jetzt bei der Regierung von Oberbayern beantragt werden. Wir brauchen dringend eine Entlastung für den Klosterbereich. Doch der Abschnitt von der Kreisstraße DAH 9 zur Staatsstraße 2050 nach Langenpettenbach ist noch nicht in der Prioritätenliste. Um in die Liste aufgenommen zu werden, ist es gut, wenn der Landkreis sein Teilstück baut. Eine Entlastung der Dachauer Straße ist uns sehr wichtig. Wir wollen unseren Abschnitt durch das Gewerbegebiet zur Staatsstraße 2054 nach Arnbach zeitnah realisieren. Der Verkehr kommt aber auch aus den Nachbargemeinden und Nachbarlandkreisen. Wir brauchen deshalb ein Gesamtverkehrskonzept, an dem der Landkreis bereits arbeitet.

Weisser: Die Unterlagen für die Planfeststellung sind ein Riesenakt, die Akten müssen mit dem Lastwagen zur Regierung von Oberbayern hingefahren werden. Ich gehe davon aus, dass das Verfahren bald eingeleitet werden kann.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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