Ausstellung:Hoffentlich eine Initialzündung

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Kostas Koufogiorgos zeichnet seit seinem 18. Lebensjahr hauptberuflich politische Karikaturen. (Foto: Kostas Koufogiorgos/oh)

Die Karikaturenausstellung initiiert hoffentlich einen Diskurs über Menschenfeindlichkeit im Landkreis, ihre Zunahme in der Mitte der Gesellschaft.

Kommentar von Helmut Zeller

Angesichts der brutalen Übergriffe von Rechtsextremen bis hin zum Mord könnte man eine Karikaturenausstellung als angemessenes Mittel der Aufklärung in Frage stellen. Tatsächlich wird man menschenfeindliche Einstellungen nicht damit hinreichend erfassen können, dass Neonazis eben "Dummeln" sind, auch wenn es sie darunter gibt. In der rechten Szene selbst spricht man von "Kraken". Dennoch hat das Lachen befreiende Kraft, und wenn es beim Betrachten der Karikaturen zuweilen im Hals stecken bleibt, so ist das der richtige Ausgangspunkt, um über rechtsextremistische Einstellungen nachzudenken - gerade für Jugendliche, an die sich die Ausstellung in erster Linie wendet. Auf jeden Fall initiiert sie - hoffentlich - einen notwendigen Diskurs über Menschenfeindlichkeit im Landkreis, ihre Zunahme in der Mitte der Gesellschaft.

Es geht nicht um Schuldzuweisung, aber festzuhalten gilt, weil es in Zukunft besser gemacht werden muss, dass jahrzehntelang von Behörden und Politik die Angriffe von rechts auf die Demokratie verharmlost wurden - sie stehen in einer Kontinuität, die spätestens seit den 1950er-Jahren mit der Gründung von Parteien wie der Sozialistischen Reichspartei (SRP), dann der NPD und anderen sogenannten nationalen Sammlungsbewegungen mit ehemaligen Nazis in ihren Reihen und einer - mal offen, mal versteckten - Anknüpfung an das "Dritte Reich". Es gab in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik antisemitische Übergriffe auf Juden, auch Morde, seit Jahren auch auf Asylsuchende. Die Saat ist - Stichwort Neue Rechte, Pegida, AfD - jetzt in der Mitte der Gesellschaft aufgegangen. Im Landkreis kam die AfD auf knapp 13 Prozent der Stimmen bei den Landtagswahlen.

Auch Vertreter bürgerlicher Parteien, die mit einer verrohten, Menschen ausgrenzenden Sprache um Wählerstimmen buhlen, tragen Verantwortung. Deshalb ist die Partnerschaft für Demokratie des Kreistages und Kreisjugendringes nötig, doch noch mehr: Die Prävention muss ausgebaut werden, München gibt dafür mehr Geld aus als der ganze Freistaat. Die Polizei muss geschult werden, an den Schulen muss das Problem offensiv angegangen werden - noch wird bei verbalen Übergriffen zu oft weggeschaut. Vor allem eines muss klar sein: Das Schlimmste ist, nicht zu reagieren, etwa aus Angst vor "Nachahmern". Wer so denkt, verkennt den Charakter der völkisch-nationalen Bewegung. "Ja, wo sind wir denn?" Für eine Antwort braucht es ein Bildungsmonitoring und eine Erhebung rechtsradikaler Umtriebe im Landkreis.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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