Artensterben im Landkreis:Sommer ohne Schwalben

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Wohnungsnot breitet sich auch im Tierreich aus. Laubfrösche und Rebhühner verlieren im Landkreis Dachau ihren Lebensraum. Landschaftspfleger und Naturschützer wollen mit Biotopen und Streuwiesen helfen

Von Dajana Kollig

Anfang Mai tagte in Paris der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) und stellte seine Ergebnisse vor. Drei Jahre lang haben Wissenschaftler aus 50 Ländern einen Bericht über die Biodiversität auf der Erde zusammengestellt. Die globale Bilanz ist ernüchternd, eine Millionen Tiere und Pflanzen sind vom Aussterben bedroht. Manche davon könnten schon in den nächsten Jahren verschwinden. Gründe hierfür sind etwa der Klimawandel und die Intensivierung der Landwirtschaft. Die Folgen des weltweiten Artensterbens sind auch im Landkreis Dachau zu spüren, immer mehr Tier- und Pflanzenarten verschwinden. So ist im Dachauer Land beispielsweise der Kiebitz vom Aussterben bedroht. Die Vögel verlieren durch die intensive Bewirtschaftung von Grünflächen ihren Lebensraum und finden keine Nahrung mehr.

Der Landschaftspflegeverband Dachau hat deswegen ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem Kiebitze beobachtet und die Nester beschützt werden. Die Landwirte zeigten sich beim Tierschutz eigentlich sehr kooperativ, wie Barbara Fischer vom Bund Naturschutz in Dachau bestätigt. Aber nicht nur Kiebitze sind bedroht, auch Schwalben oder der Gänsesäger verlieren ihren Lebensraum. Den großen Brachvogel, der im Ampermoos heimisch war, gab es jahrelang fast gar nicht mehr. Nur durch die Anstrengungen von verschiedenen Gruppen in den letzten Jahren, unter anderem dem Landschaftspflegeverband, konnten einzelne Tiere zurück geholt werden.

Sebastian Böhm, Gebietsbetreuer für das Ampertal betont vor allem zwei Maßnahmen, die beim Artenschutz in der Region wichtig seien. Erstens werden Streuwiesen angelegt. Diese dienen etwa dem großen Brachvogel als Nistplatz. Durch die einmalige Mahd im Herbst wird die ursprüngliche Nutzungsform imitiert, die wiederum für die Nutzung durch die Tiere wichtig ist. Zweitens kann der ebenfalls vom Aussterben bedrohte Laubfrosch durch die Anlage von temporären Kleingewässern wieder einen Lebensraum finden. Im Ampermoos sind viele seltene Arten beheimatet, der Schutz dieses Gebietes sei für den Artenschutz essenziell, erklärt Böhm. Außerdem betreibt die Gebietsbetreuung ein Vermehrungsprojekt für seltene Pflanzenarten, die ebenfalls am Verschwinden sind.

Im Palsweiser Moos werden Insekten geschützt. (Foto: Fuchs/oh)

Ernst-Ulrich Wittmann vom Jagdschutz- und Jägerverein Dachau sieht die Lage kritisch, "die Zahlen des jagdbaren Niederwildes, wie Hasen, Fasan und Rebhuhn sind dramatisch gesunken", sagt er. Der Verlust von brachliegenden Flächen durch die Intensivierung der Landwirtschaft habe die Lebensbedingungen für die Tiere enorm erschwert. Wittmann hat auch Verständnis für die Landwirte, der harte wirtschaftliche Rahmen mache es Ihnen schwer, auf andere Interessen Rücksicht zu nehmen. Er plädiert für eine intensive Zusammenarbeit über einzelne Verbandsinteressen hinweg, um "Lebensraum für unser Niederwild zu schaffen". Ein Anliegen sei es, Ausgleichsflächen zu schaffen, naturbelassene Brachflächen oder Wiesen anstelle von Grünflächen beispielsweise. Auch Roderich Zauscher, Vorsitzender des Bund Naturschutzes im Landkreis Dachau, hofft auf eine Rückkehr von Rebhuhn und Kiebitz durch das Schaffen von neuen Lebensräumen. "Wiesenbrütergerechte Wiesen", wie er es nennt, müssen gepflegt werden. Außerdem sei es wichtig, die Mahd auf die Zeit nach dem 15. Juni zu verlegen, um eine versehentliche Tötung der Jungtiere zu verhindern. Der Bund Naturschutz versucht, im Dachauer Moos Lebensraum für die Tiere zu sichern und plant im Palsweiser Moos und Weichser Moos Beweidungsprojekte. Die Liste der aussterbenden Tiere sei jedoch endlos, wie Zauscher sagt. "Wer hat schon heute noch einen Segelfalter gesehen?"

Der Landschaftspflegeverband hat sich um einen eher ungewöhnlichen Nistplatz bemüht - das alte Trafohaus in Karlsfeld. Hier finden seit 2012 Fledermäuse, Stare und andere Tiere ein neues Zuhause. Auch sie leiden unter dem Verlust ihres Lebensraumes. Das jüngste Projekt "Bunte Flächen für Dachaus Artenvielfalt" hat die Erhaltung von mehreren Hektar großen Flächen für Insekten zum Ziel. Auch die Libellenart der Helmazurjungfer wird seit fast 20 Jahren mit diversen Projekten unterstützt. Außerdem widmet sich der Landschaftspflegeverband dem Schutz von gefährdeten Pflanzen, wie dem Lungenenzian und der Mehlprimel.

Barbara Fischer rät, durch heimische Pflanzen wie die Hagebutte oder den Faulbaum und durch Hecken einen insekten- und vogelfreundlicheren Garten anzulegen. Gebietsbetreuer Sebastian Böhm mahnt, jeder müsse sein persönliches Verhalten anpassen.

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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