Aggressionen am Fußballplatz:Gewalt statt Spaß

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Zum zweiten Mal in nur sechs Monaten muss die Dachauer Polizei bei Junioren-Fußballspielen eingreifen, weil Eltern in Schlägereien geraten. Bei einem Turnier in Günding erleidet ein Vater einen Nasenbeinbruch

Von Benjamin Emonts, Dachau/Günding

Wenn Kinder miteinander Fußball spielen, geht es einzig um Spaß - möchte man meinen. Im Landkreis Dachau aber musste in den vergangenen sechs Monaten bereits zum zweiten Mal die Polizei bei Jugendfußballspielen anrücken, weil Eltern in Schlägereien geraten waren. Die erste Auseinandersetzung bei einem Turnier in Schwabhausen im Juli 2017 endete mit einer klaffenden Bisswunde, die ein Schiedsrichter ärztlich versorgen lassen musste. Vor drei Wochen dann schlugen auf der Tribüne bei einem Hallenturnier in Günding drei Väter aufeinander ein. Die Dachauer Polizei berichtet von einem Nasenbeinbruch und einer Schienbeinverletzung; die Ermittlungen dauerten an. Die eigentlich Leidtragenden der Auseinandersetzungen aber sind die Kinder, die einfach nur Fußball spielen wollen. "Sie bekommen das alles hautnah mit", betont der Pressesprecher der Polizeiinspektion Dachau, Stefan Hocke.

Vater beißt Schiedsrichter

Das Thema Gewalt auf Fußballplätzen ist nicht neu. Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat im Freistaat insgesamt 20 geschulte Konfliktmanager im Einsatz und zahlreiche Kampagnen ins Leben gerufen, die "Keine Gewalt im Jugendbereich" oder "Gemeinsam und Fair" heißen. Dennoch liegt offenbar noch vieles im Argen. Während sich die Kinder untereinander prächtig verstehen, leben Eltern und Trainer ihre angestauten Aggressionen nicht selten auf dem Fußballplatz aus. Vor den Augen ihrer Kinder schimpfen sie dort hemmungslos auf Schiedsrichter ein oder bekriegen sich gegenseitig. Ganz zu schweigen von teils übertrieben ehrgeizigen Trainern, die Kinder laut anbrüllen, weil sie einen Pass vermasselt oder ein Gegentor verschuldet haben.

Im Landkreis Dachau haben die Auseinandersetzungen eine besorgniserregende Schärfe bekommen. Bereits bei einem Jugendturnier in Schwabhausen im vergangenen Sommer war ein Vater aus Petershausen während eines belanglosen Siebenmeterschießens auf Eltern aus Markt Indersdorf losgegangen. Als der Schiedsrichter schlichten wollte, wurde er von einem der Männer gebissen. Seine Wunde infizierte sich und musste mit Antibiotikum behandelt werden. Ein anderer Mann brach sich einen Finger. Der Fall liegt inzwischen bei der Staatsanwaltschaft München II.

Schlägerei mit zwei Verletzten

Der nächste Vorfall dann bereits am Abend des 12. Januar in Günding. Wie die Dachauer Polizei erst jetzt bestätigt, rückten gegen 22 Uhr vier Streifenwagen und ein Notarzt zur örtlichen Turnhalle aus, als dort gerade die Dachauer Hallenmeisterschaften der Junioren stattfanden. Nach jetzigem Ermittlungsstand waren bei einem Spiel zwischen den unter 14-Jährigen des SC Maisach und des TSV Dachau 1865 drei Väter aneinandergeraten, nachdem einer von ihnen ein Kind auf dem Spielfeld lauthals beleidigt haben soll. Der Vater des Kindes und ein Freund verbündeten sich wohl gegen den Mann und es kam zur Schlägerei, aus der zwei Verletzte hervorgingen. Alle drei Männer erstatteten später Anzeige wegen Körperverletzung.

Das sechsköpfige Organisationsteam der Hallenmeisterschaften aus Vertretern des TSV Arnbach, TSV Bergkirchen, TSV Schwabhausen, ASV Dachau und SpVgg Erdweg schwieg bislang zu dem Vorfall. Man befürchtet offenbar, dass die Geschichte ähnliche Kreise ziehen könnte wie die Bissattacke auf den Schiedsrichter, über die sogar Medien in Hamburg und Österreich berichtet hatten. Mitorganisator und Pressesprecher Bernd Battermann sagt am Mittwoch nur, dass man die Geschichte "nicht hochkochen" und der Polizei überlassen wollte. Nach den jüngsten Entwicklungen aber werde sich das Organisationsteam erneut zusammensetzen und über den Vorfall diskutieren.

Der BFV hat sich in den Fall wohl schon eingeschaltet, wie Battermann durchblicken lässt, womöglich fordert er einen Bericht. Aktuelle Zahlen des Verbandes besagen, dass 99,7 Prozent der Fußballspiele in Bayern ohne Gewalt und Diskriminierung verlaufen. In der Zentrale des Verbandes in München vertritt man aber dennoch die Haltung: "Jeder Fall ist einer zu viel", sagt Pressesprecher Fabian Frühwirth. Er sieht die Ursache solcher Entgleisungen in gesellschaftlichen Problemen wie steigender Gewaltbereitschaft und mangelndem Respekt, die auch vor dem Fußball nicht Halt machten, zumal dort viele Emotionen frei gesetzt würden. Als "absolut erschreckend" bezeichnet Polizeisprecher Hocke die Vorkommnisse. "Die Eltern geben ein unheimlich schlechtes Vorbild ab. Das spiegelt nicht den Charakter des Sports wider."

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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