Ärzte und Patienten:"Vertrauen ist das A und O"

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Ärztesprecher Hans-Ulrich Braun erklärt, wie das Gespräch mit dem Patienten erfolgreich gestaltet werden kann

interview Von Julian Erbersdobler

Der Arzt muss zum nächsten Termin, oder der Warteraum ist drängend voll. Der Patient vergisst in der Hektik seine wichtigen Fragen. Diese Konstellation gilt als Alltag in deutschen Praxen. Aber gut ist sie nicht. Seit dem deutschen Ärztetag ist die Problematik misslungener Kommunikation in den Mittelpunkt der bundesweiten Diskussionen über die Zukunft der Medizin gerückt. Wie also lässt sich das Verhältnis von Arzt und Patient verbessern? Was sagt der Praktiker dazu? Der Karlsfelder Internist und Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Dachau, Hans-Ulrich Braun, spricht über volle Terminkalender in den Praxen, über Zweiklassenbehandlung und die problematischen Online-Diagnosen, die sich Patienten via Internet besorgen. Er aber sagt: "Vertrauen ist das A und O."

SZ: Angeblich dauert es nach einem bundesweiten Gutachten durchschnittlich weniger als zehn Sekunden, bis der Arzt den Patienten im Gespräch unterbricht. Wie sieht Ihre Erfahrung aus?

Hans-Ulrich Braun: Von dieser Studie habe ich gehört. Dieser Wert klingt alles andere als gut. Wie so oft lässt sich auch dieses Verhalten mit dem enormen Zeitdruck erklären, unter dem wir Ärzte stehen. In manchen Fällen wird es sich bei den Unterbrechungen wahrscheinlich auch schon um weitere Nachfragen handeln.

Und wie viel Zeit nehmen Sie sich?

Ich versuche, den Patienten - wenn möglich - ausreden zu lassen. Aber bei einer Warteliste zwischen fünf und zehn Personen ist das geduldige Zuhören natürlich auch nicht immer machbar. Damit würde man anderen Patienten die Chance auf ein Gespräch nehmen. Und das ist auch nicht fair. In besonderen Fällen, bei Tumordiagnosen zum Beispiel, biete ich extra Termine an, um besser auf den einzelnen Patienten eingehen zu können. Das kann ich aber aus Zeitgründen natürlich auch nicht jedem anbieten.

Haben Privatpatienten Vorteile?

Sie werden es mir nicht glauben, aber das haben sie bei uns ganz bewusst nicht. Ich möchte keinen Unterschied zwischen Menschen machen, nur weil sie anders versichert sind. Ich kenne aber einige Kollegen, die mehr aus ihrer betriebswirtschaftlichen Verantwortungen heraus entscheiden. Und auch diese Haltung kann ich nachvollziehen: Ein Privatpatient bringt dreimal so viel Geld wie ein Kassenpatient. Das ist leider die Wahrheit.

Wann kann die Kommunikation zwischen Arzt und Patient gelingen; unabgängig von monetären Bedingungen?

Vertrauen ist das A und O einer guten Behandlung. Sollte dieses nicht vorhanden sein, kann der Erfolg einer Therapie gefährdet sein. Das Gleiche gilt vor Operationen. Ohne ausreichend Vertrauen in seinen Arzt und ohne ausreichend Information sollte kein Patient eine Entscheidung treffen.

Und wie lässt sich auf Dauer die Qualität der Gespräche steigern und auch wirklich sichern?

Zunächst einmal ist es in Deutschland so, dass Arzt und Patient hier im internationalen Vergleich relativ häufig aufeinander treffen. Das mag an unserem kostenfreien System liegen. Manchmal auch daran, dass es sich nur um kurze und unzureichende Kontakte handelt. In einigen Fällen wird auch eine zweite Meinung eingeholt - oftmals aus gutem Grund. Um die Qualität der Beratung weiter zu verbessern, hat sich auch schon etwas getan. Seit Januar hat sich beim Abrechnungsmodus unter dem Stichwort "Gesprächsziffer" einiges zum Vorteil solcher intensiven Kontakte getan. Ein Schritt in die richtige Richtung. Auf der anderen Seite werden technische Leistungen immer noch deutlich besser als soziale bezahlt. Eine solche Gewichtung ist in diesem Zusammenhang natürlich kontraproduktiv.

Dreht sich die Problematik wirklich immer nur um die Kriterien Zeit und Geld? Ist nicht manchmal einfach die soziale Kompetenz des jeweiligen Arztes entscheidend für einen erfolgreichen Kontakt? Also die Empathie mit dem Patienten und die Fähigkeit, sich auf ein Gespräch einlassen zu können.

Zunächst einmal haben die meisten Ärzte, die ich kenne, gerne mit Menschen zu tun. Aber in einigen Fällen gebe ich Ihnen recht. Es gibt Kollegen, die wären vermutlich besser in der Forschung ohne Patientenkontakt aufgehoben. Sie geben das aber auch zu.

Spielen auch ihrer Ansicht nach diese sozialen Komponenten bei der Studienauswahl so gut wie keine Rolle?

Die Antwort darauf liegt schlicht und einfach in der enormen Nachfrage nach Studienplätze. Eine logischere Antwort gibt es darauf leider nicht. Medizinstudenten werden rein nach Noten selektiert. Das heißt also auch im Umkehrschluss, dass man nahezu keine Chance hat, wenn man kein Einser-Abitur hat. Das ist sehr traurig, weil die menschliche Komponente komplett vernachlässigt wird. Der Versuch mit dem Medizinertest ging im übrigen in eine ähnliche Richtung: Schüler mit sehr gutem Abitur schreiben auch einen sehr guten Medizinertest. Vor einem Jahr kam auf dem Ärztetag mal die Frage nach unseren Abitur-Noten auf. Die Antwort: Fast keiner hatte ein Einser-Abitur.

Wie halten Sie von Online-Diagnosen im Internet? Sie sind in Mode gekommen, auch weil viele Informationen zur Verfügung stehen.

Eine gute Frage. Grundsätzlich finde ich es gut, dass Informationen online leicht abrufbar sind. Und diese Option hat wegen der vielen Fakten auch ihre guten Seiten. Das Problem ist nur, dass der Patient alleine nicht in der Lage ist, die Informationen zu gewichten. Dazu ist auch heute noch immer nur der Arzt im Stande. Und das ist auch gut so. Sonst würden wir unser Leben Computerprogrammen überlassen. Dennoch habe ich es schon erlebt, wie schwierig es ist, einem Patienten die von ihm gelesene Online-Diagnose wieder auszureden. Im Internet steht auch einfach viel Müll.

Wir haben viel über die Seite des Arztes gesprochen. Welche Möglichkeiten hat denn der Patient, um die Kommunikation zu verbessern?

Ich rate dazu, sich vor einem Arztgespräch Gedanken über wichtige Fragen zu machen. Die kann man dann auf einen kleinen Zettel schreiben und mit zur Sprechstunde nehmen. Dann vergisst man in der Hektik auch nichts. Sollte das doch der Fall sein, kann man auch noch in der Praxis anrufen, wenn man schon wieder daheim ist. Man muss mutig sein und nachfragen. Das gilt auch, wenn man das Fachchinesisch des Arztes nicht versteht.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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