CSU und Landtagswahl in Bayern:Die Schuldigen sitzen natürlich in Berlin

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SZ-Leser zeigen sich enttäuscht von der Parteispitze, die nach der Schlappe weitermacht, als wäre nichts gewesen

Zur SZ-Berichterstattung zur Landtagswahl in Bayern:

Keine Revolution

Was ist denn eigentlich bei der bayerischen Landtagswahl passiert? Im Endergebnis haben die Grünen und die SPD die Plätze getauscht. Wirklich neu ist nur die AFD, die der CSU die fehlenden Prozente abgenommen hat. So kann man das auch analysieren. Heiner Huber, Saaldorf-Surheim

Von wegen "Berlin schuld"

Es ist ein Ammenmärchen zu glauben, die CSU habe durch ihren Rechtskurs die AfD im jüngsten bayerischen Landtagswahlkampf relativ überschaubar gehalten. Wären die Rechtsnationalen in Bayern nicht intern so zerstritten und hätten sie vor allem einen TV-tauglich populistischen Demagogen mit größerem Bekanntheitswert an ihrer Spitze gehabt, die CSU wäre sogar in Richtung 30 Prozent Wählervotum gelandet. Das ist die Bilanz des antiliberalen Auftretens ihres Spitzentrios Seehofer, Dobrindt und Söder auf bundespolitischer Bühne. Die Kanzlerin oder Berlin seien schuld - diese Mär taugt nicht einmal mehr als Dolchstoßlegende. Illusionen oder gar Ignoranz der Parteiführung wären ein schlechtes Omen für die anstehende Europawahl im nächsten Jahr. Jochen Freihold, Berlin

Wunsch nach Wechsel

Die Wählerinnen und Wähler der Landeshauptstadt München haben bei der Landtagswahl deutlich aufgezeigt, dass sie mit der Münchener Rathauspolitik in den letzten Jahren nicht mehr einverstanden sind: Ständige Ausweisung neuer Gewerbegebiete, Ansiedlung von Firmen und damit Menschen, einhergehend mit ständiger Überlastung von Straßen und öffentlicher Infrastruktur. Hinzu kommt die ungebremste Befeuerung des Tourismus in München mit einer fast unerträglichen Zunahme von Hotelbauten. Wohnraum ist für den Normalverdiener mittlerweile unerschwinglich. Daran ändern auch die überteuerten Neubauten nichts. Mein Eindruck der letzten Jahre: Geld und Gier überwiegen gesunden Menschenverstand. Nur an der schlechten Luft an der Landshuter Allee ändert sich seit Jahrzehnten nichts. Eine ungute Entwicklung, an der die Rathauspolitik der Landeshauptstadt München einen erheblichen Anteil hat. Die Bürger wünschen sich mit der Wahl einen Richtungswechsel. Der "Weltstadt mit Herz" ist das Herz in den letzten Jahren irgendwie abhanden gekommen. Ein neues grünes Herz für München? Das wäre wunderbar.

Sonja Gretscher, München

Lehrstück in Demokratie

Nach der "Erdbebenwahl" in Bayern gibt es wohl kein Parteigremium, in dem nicht eifrig "analysiert" wird... - ja, was eigentlich? In den 11-Uhr-Nachrichten wird gemeldet, es sei bereits durchgesickert, dass die CSU-Fraktion - vom Vorstand mal ganz abgesehen - für den neuen und alten Ministerpräsidenten votiert hat, und wohlgemerkt: einstimmig per Akklamation. Bei der (wohl gar nicht) vorausgegangenen Aussprache beziehungsweise "Analyse" hätte man Mäuschen spielen wollen. So demonstriert man dem enttäuschten Wähler demokratische Verfahren! Glaubt denn jemand ernsthaft, dass auch nur ein einziges Fraktionsmitglied in öffentlicher Abstimmung seinen Arm gegen Söder erheben würde, es sei denn in der Absicht, die eigene Politiker- und Parteikarriere abrupt und definitiv beenden zu wollen? Man will also allen Ernstes den Eindruck erwecken, es gäbe nur Zustimmung für einen Ministerpräsidenten, dessen Mitschuld am "historischen" Abschneiden der CSU wohl außer Zweifel steht. Der einzige, von dem man am Wahlabend leise, kritische Töne gehört hat, war Erwin Huber, aber der kann und will ja sowieso nichts mehr werden in dieser Partei. Mit solchen Abstimmungen in entscheidenden Fragen durch Armheben, die einen an "demokratische Volksrepubliken" erinnern, fördert man eher Politikverdrossenheit, als dass man enttäuschte Wähler zurückgewinnt. Man darf gespannt sein, welcher Tricks man sich bedienen wird, wenn die CSU demnächst Seehofer loswerden möchte - oder auch nicht? Ernst Feistel, Maisach

Weiß-blaues Märchenland

Ein Kini ging im Starnberger See unter, und der andere bei der Landtagswahl. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte die CSU ihren Ministerpräsidenten nach einer derart vergeigten Wahl am liebsten ausgestopft und neben Bär Bruno ins Museum Mensch und Natur abgeschoben. Heute veranstaltet man anlässlich der historische Niederlage einen Räumungsverkauf in Schloss Nymphenburg und verramscht goldene Büsten. Dem Aussehen nach weniger von Ludwig dem Zweiten als von Markus dem Ersten aus der Veitshöchheimer Faschingskini-Ära. Ansonsten bleibt in unserem weiß-blauen Märchenland alles wie es ist. Er darf in Frieden weiterwursteln und Horst der Schreckliche intrigiert munter mit. Lediglich das Fleisch vom Fleische der beiden, Kronprinz Hubsi, stößt dazu. So gesehen unterscheiden sich unsere unerschütterlichen und mit einem stabilen Sitzfleisch versehenen Regenten auch Hundert Jahre nach Einführung des Freistaats noch nicht wesentlich von ihren Wittelsbacher Vorgängern. Manfred Jagoda, Ismaning

Wie ein zu früher Grünen-Hype Bayern um eine schwarz-grüne Koalition bringt

Man kann sich gut vorstellen, wie die Redakteure der SZ dem historischen Wahlabend samt Untergang der CSU entgegenfieberten, und das verspürt man auch in der Berichterstattung zum Wahlausgang. Diese unterschlägt, dass das Ausbleiben des erwarteten Absturzes auf 33 Prozent in Verbindung mit dem Ausgeliefertsein an einen grünen Koalitionspartner auch deren Beiträgen während des Wahlkampfes geschuldet ist.

Wo nichts unversucht blieb, dem journalistischen Vorzugspartner "Die Grünen" zu huldigen, das CSU-Bashing zu befeuern und deren demoskopische Tiefs zu zelebrieren. Dieser medial inszenierte Showdown ist aber eher ins Gegenteil umgeschlagen. Einerseits hat er bei den Grünen einen Gestus der Überheblichkeit gegenüber der CSU befeuert, kulminiert in der selbstgefälligen Aussage des Grünen-Chefs, sie brächten die Demokratie zurück nach Bayern. Dummerweise hat das die Spätentscheider mobilisiert und das Debakel für die CSU vermindert. Konsequenterweise hat die CSU, die nach Ansicht der Grünen ohnehin mit deren prodemokratischer Einstellung nicht Schritt halten kann, auf dieses Auftrumpfen entsprechend harsch reagiert.

Das journalistische Anfachen der Euphorie für die Grünen hat eher dazu geführt, dass die einen Spalt offenstehende Tür für eine schwarz-grüne Koalition wieder geschlossen wurde.

Als Fazit verbleibt das konservativ-bürgerliche Lager trotz (oder wegen?) der von den Grünen postulierten moralischen Überlegenheit mit einer satten Mehrheit in Bayern, die propagierte "Zeitenwende" in den Großstädten relativiert sich, die CSU führt trotz Verlusten außer in München überall bei den Gesamtstimmen. Da sich die Freien Wähler geschickt als Variante der CSU ins Spiel und ins Mitte-Rechts-Lager brachten, wurden die Avancen auf eine schwarz-grüne Koalition selbst verspielt. Hermann Neubauer, Kirchheim

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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