Comedian und Lebenskünstler Moses Wolff:Meister der kleinen Form

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Vom "Wildbach-Toni" bis zum indischen Vollweisen: Moses Wolff ist Schauspieler, Autor, Comedian - aber auch Lebenskünstler. Denn wer nichts erlebt, hat auch nichts zu erzählen. Der Münchner erlebt so einiges.

Franz Kotteder

Eine seiner schönsten Szenen geht so: Er schnappt sich am Hauptbahnhof einen dezent nordafrikanisch oder arabisch aussehenden Mann und drängt sich ihm als Fremdenführer auf. Zeigt ihm kitschige Feuerzeuge und Schneekugeln: "Very cheap, my friend!" Er empfiehlt dem Irritierten, bayerische Tracht zu kaufen und anzuziehen, weil man damit in den Wirtshäusern verbilligt essen könne, und verschleppt ihn schließlich in eine schäbige Bar im Bahnhofsviertel.

Einer der letzten Schwabinger Bohemiens, auch wenn er aus Pasing stammt: Moses Wolff. (Foto: N/A)

Dann gelingt es dem Touristen endlich, zu entfliehen, und Moses Wolff stellt fest: "Für die kurz zuvor erlebten vierzehn Tage Marokko-Urlaub bin ich zwar nicht entschädigt, aber zumindest denke ich: 'Quitt!'"

Wenn man Moses Wolff kennt, hält man es durchaus für möglich, dass diese Geschichte nicht von vorne bis hinten frei erfunden ist. Denn das Streichespielen liegt ihm auch jetzt, im Alter von 41 Jahren, durchaus, und viele seiner Nummern haben damit zu tun, dass er in Rollen schlüpft und sie ein Stückchen ins Absurde weiterdreht. Das ist nun an und für sich nicht verwunderlich, schließlich ist Moses Wolff ja ausgebildeter Schauspieler. Aber er ist nicht nur das, sondern auch Comedian und Kabarettist (sofern man da einen Unterschied machen will), er ist Musiker und Autor, Sprecher und nicht zuletzt auch Lebenskünstler.

Der letzte Punkt ist nicht ganz unwichtig. Denn wer nichts erlebt, hat auch nichts zu erzählen. Und Moses Wolffs Geschichten leben oft davon, dass er etwas mithört oder miterlebt, und das Ganze dann ein bisschen weiterspinnt, bis es absurd und komisch wird. Man kann das teilnehmende Beobachtung nennen, es ist aber auch das Arbeitsprinzip der Boheme.

Wenn man so will, ist Moses Wolff einer der letzten Schwabinger Bohemiens. Obwohl er nicht in Schwabing geboren wurde, sondern in Pasing, und auch nicht dort wohnt, sondern in der Isarvorstadt.

Dafür aber ist er Mitglied der "Schwabinger Schaumschläger", einer höchst erfolgreichen Lesebühne, die sich jeden Sonntagabend in der Kleinkunstkneipe Vereinsheim in der Occamstraße trifft. Zusammen mit seinen Freunden, dem Schriftsteller und Musiker Michael Sailer und dem Poetry-Slammer Jaromir Konecny, liest Wolff dort seit fast drei Jahren Sonntag für Sonntag kleine, lustige Geschichten vor, und jedesmal sind zwei bis drei Gäste dabei, mit kurzen Comedy- und Kabarettsketchen, oder sie singen ein paar Lieder. Das alles ist recht unkompliziert und manchmal auch sehr improvisiert, aber es hat sehr viel Charme und inzwischen - um das vielbemühte Wort noch ein weiteres Mal zu bemühen - "Kultcharakter", weshalb das Vereinsheim sonntags immer voll ist.

Zu Hause in kurze Szenen

Kleine, kurze Szenen also. In denen ist Moses Wolff zu Hause, da fühlt er sich anscheinend am wohlsten. Und in einer von ihr hat er auch seine Paraderolle gefunden, jedenfalls vorübergehend: im "Wildbach-Toni". Da spielt er einen Tiroler Naturburschen, der den Stadtmenschen die Welt der Berge erklärt - ein später Nachfahr von Luis Trenker, gewissermaßen. Der Wildbach-Toni besteht aus Video-Episoden von jeweils ein paar Minuten Dauer, früher waren sie auf der Website der Satirezeitschrift Titanic zu sehen, mittlerweile gibt es sie regelmäßig auf sueddeutsche.de und natürlich auch auf Youtube.

Moses Wolffs Bergmensch ist ein ausgefuchster Hallodri, der es in nahezu keiner Folge versäumt, Werbung für seinen Spezl zu machen, den Schlemmerwirt. Dieser, so scheint's, hat nicht nur seltsame kulinarische Besonderheiten im Angebot, sondern vertickt auch sonst alles, was nicht niet- und nagelfest ist - von der Heizdecke bis zum Bärlauchschnaps. Nur so als Beispiel. Und fast jede Folge endet mit dem gutgemeinten Ratschlag: "Merkt's Euch: Wenn man sich an die Regeln hält, dann ist der Berg Euer Freund!"

Die Gaudi auf Tirolerisch hat sehr ordentliche Zugriffszahlen, um die 30.000-mal werden die einzelnen Folgen geklickt. Und Moses Wolff hat der Spaß neben lokaler Berühmtheit in diesem August immerhin auch eine Einladung zum Bergfilm-Festival nach St.Anton eingebracht.

Damit ist der Wildbach-Toni in gewisser Weise natürlich in seine Heimat zurückgekehrt, denn auf die Idee kam sein Darsteller tatsächlich auf einer Bergtour: "Da war so ein Bergführer dabei, der diesen breiten Tiroler Dialekt gesprochen hat. Das war an sich schon sehr komisch, wie er da die schlotternden Touristen über eine 150 Meter hohe Steilwand abgeseilt hat und dabei die ganze Zeit seinen Schmarrn verzapfte..."

Man entwickelt wohl automatisch ein Gespür für das Skurrile im Alltag, wenn man so viele verschiedene Dinge macht wie Moses Wolff und dabei gelegentlich auch einen gewissen Abstand zu sich selbst halten kann. Er kann zum Beispiel saukomisch darüber erzählen, wie er noch zu Schulzeiten mit Freunden die erste Band gründete: "Björn und ich zeichneten täglich neue Plattencover und legten bereits fest, welches das erste, das zweite und das dritte Album werden sollte, ohne auch nur eine Sekunde an Texten oder Kompositionen gearbeitet zu haben." Immerhin war seine Sandkastenfreundin Carolyn Breuer beinahe mit von der Partie, wenn denn aus der geplanten Band jemals etwas geworden wäre. Die Breuer ist heute eine weltbekannte Jazz-Saxophonistin.

Auch Moses Wolff macht heute noch Musik. Perlen vor die Säue nennt sich das Bandprojekt, das eigentlich auch wieder eine Art Kabarett-Show ist. Überhaupt hat er sich nach den ersten Versuchen in Sachen Musik ja doch mehr aufs Wort verlegt als auf die Töne. Nach dem Abitur begann er, Theaterwissenschaften zu studieren, befand aber schnell, dass die Praxis mehr Spaß machte und ging auf eine Schauspielschule. Die Karriere begann hoffnungsvoll, gleich nach der Schule bekam er in George Taboris Stück "Mein Kampf" eine Sprechrolle als Hitlerjunge am Staatsschauspiel.

Recherche auf der Wiesn

Aber das klassische Theater war offenbar nicht so sein Ding; Wolff spielte Anfang der Neunziger in verschiedenen Kabarett- und Musikkabarettgruppen, etwa zusammen mit Arthur Senkrecht im "Trio Farfadet" oder im "Sonntagsclub" von Philipp Sonntag, auch ein Zwischenspiel in Berlin gehört in diese Zeit. Zahlreiche kleinere Rollen in Film und Fernsehen kamen hinzu, aber die kleinen, absurden Rollen auf der Bühne lagen ihm damals schon am besten.

Und so spielt Moses Wolff in der "Teaserama"-Show in der vogelwilden Striptease-Bar "Schwarze Katz" mit, in der 60-jährige Stripperinnen gemeinsam mit Kabarettisten auftreten, und ist einer der Erfinder von "3 Minutes Madness" im Starsky's des Kunstparks Ost: eine Standup-Comedy-Show, bei der jeder Teilnehmer drei Minuten Zeit hat, die Leute zu unterhalten (inzwischen gibt es die Show wieder, und zwar donnerstags im Café Cord in der Sonnenstraße 19).

So spielt sich Moses Wolff also mit lauter Miniaturen quer durch die Münchner Szene, mal als griechischer Macho, mal als "indischer Vollweiser" Moses Shanti, als Wildbach-Toni oder auch als Sänger bei Perlen vor die Säue. Der Lebenskünstler darf dabei freilich nicht zu kurz kommen, schließlich hilft das dem Kabarett ja weiter.

Und so kann man sich nie ganz sicher sein, ob das jetzt schiere Gaudi oder doch auch Recherche sein wird, wenn sich Moses Wolff in Kürze wieder beinahe täglich auf der Wiesn rumtreibt.

An diesem Donnerstagabend liest Moses Wolff einen eigenen Text beider Vorstellung des Buches "Wiesn-Liebe" im "Substanz", Ruppertstraße 28. Beginn ist um 20 Uhr.

© SZ vom 09.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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