Christian Ude und Schwabing:Am Ziel aller Wünsche

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Erste Bürgerversammlung der Traumstädter: Christian Ude hat seine "lieben Mit-Schwabinger" im heimischen Partykeller versammelt. (Foto: Wolfgang Roucka)

Christian Ude hat den Zenit seiner Karriere erreicht: Er ist jetzt hauptberuflich Bürgermeister der Traumstadt Schwabing, die wieder zu neuem Leben erwachen soll

Von Franz Kotteder

Nach dem Oberbürgermeister kann nicht mehr viel kommen, denkt man gemeinhin. Gut, vielleicht noch bayerischer Ministerpräsident. Aber daraus wurde dann ja nichts, wie man weiß. Christian Ude hat dafür nun endgültig den Zenit seiner politischen und wohl auch privaten Karriere erreicht. Er ist jetzt voll und ganz Traumstadtbürgermeister.

Auf unserem Bild sieht man ihn im heimischen Partykeller am Kaiserplatz bei einer ersten Bürgerversammlung im Kreise seiner Traumstädter, oder wie er es vielleicht formulieren würde, seiner "lieben Mit-Schwabingerinnen und Mit-Schwabinger". Die haben ihn schon vor mehr als einem Jahr - da war er noch ein einfacher Münchner Oberbürgermeister - spontan zum Bürgermeister der Traumstadt ausgerufen, anlässlich des 85. Geburtstags der inzwischen verstorbenen Schwabinger Gisela. Tut man ihm unrecht, wenn man sagt: Insgeheim wäre er die letzten 20 Jahre manchmal sehr viel lieber Chef der kleinen, überschaubaren Künstler-Traumstadt Schwabing gewesen? Als der Oberbürgermeister jenes übergroßen Fleckerlteppichs aus gnadenlos durchgentrifizierten Szene-Vierteln rund um den Gärtnerplatz auf der einen und ländlich-dörflichen Bezirken wie in Lochhausen auf der anderen Seite?

Die Traumstadt aber, so darf man wohl sagen, entspricht Udes Gusto. Erfunden hat sie der Schwabinger Kaffeehausliterat Peter Paul Althaus, als institutionalisierte Utopie der Boheme, als Künstlergemeinschaft, die den Schwabinger Geist kultivieren sollte. Althaus war auch gleich der erste Traumstadtbürgermeister, der Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel sprach ihn als "Herr Kollege" an, und nach Althaus' Tod 1965 ging die Traumstadt nicht unter, weil Utopien gar nicht sterben können.

Ude hat Althaus und die frühen Bürgerversammlungen der Traumstadt schon als Kind miterlebt. Sein Vater Karl Ude, ein bekannter Münchner Feuilletonist, war ja auch dabei. Und es gibt ein Traumstadt-Gästebuch, in dem der kleine Christian neben all den Traumstadt-Würdenträgern unterschrieben hat als "Nachwuchs ohne Posten". Möglicherweise hat das der Kleine damals schon als blamabel empfunden; jedenfalls darf man hier eine der frühkindlichen Wurzeln des späteren Udeschen Machtstrebens vermuten.

Wie auch immer: Die Traumstadt soll nun unter ihrem Bürgermeister Christian Ude, der ja neuerdings durch den Kollegen Dieter Reiter etwas entlastet wird, wieder zu neuem Leben erwachen. Das, so hört man, beschloss die Bürgerversammlung im Partykeller einstimmig. Es wird Salons, Soirees und eine Jahresveranstaltung geben sowie noch heuer eine Ausstellung zum 50. Todestag von Peter Paul Althaus. In diesem Sinne kann man den Traumstädtern etwas zurufen, was alle anderen als Beleidigung ansehen würden, hier aber als Ansporn gilt: Träumt ruhig weiter!

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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