Christian Kiesler:"Alle Aufmerksamkeit auf die Künstler"

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Christian Kiesler (Foto: Teresa Konrad)

Der Booker des Feierwerks organisiert seit zehn Jahren das Festival "Sound Of Munich Now". Von Anfang an stand die Bandförderung im Mittelpunkt, heute ist es eine Art Jahrestreffen der Popszene

Interview von Michael Zirnstein

Nicht nur das Finden der Künstler, auch das Open-Air selbst ist für Christian Kiesler eine Herausforderung: Der Booker des Feierwerks ist nicht nur für alle Abläufe verantwortlich, er muss auch Hunderte Hände schütteln und Angebote etlicher Bekannter auf ein Bier ausschlagen. "Es ist ein Multiplikatoren-Festival", sagt Kiesler, "jeder Zweite im Publikum ist Musiker oder kulturschaffend." Das mache "Sound Of Munich Now" für alle, die selbst mitmischen wollen, "zu einem spannenden Moment in der Stadt".

SZ: Der Begriff "Sound of Munich" stammt aus den Siebzigern, als Discopop aus München eine Weltmarke war. Gibt es den "Sound of Munich Now" überhaupt?

Nach den Siebzigern hat es in München nie diesen einen markanten München-Sound gegeben, so etwas wie eine Hamburger Schule oder die Berlin-Techno-Szene, wobei das wohl auch nur Marketingkonstrukte waren.

Aber welcher Sound kommt hier besonders gut an? Und wie hat sich das in den vergangenen Jahren entwickelt ?

Was bereits vor zehn Jahren absehbar war, ist, dass Hip-Hop immer wichtiger wird, seit etwa fünf Jahren speziell Cloud und Trap, es gibt aber auch wieder ein Nineties-Rap-Revival. Das andere ist, dass Elektro und elektrischer Indie kommen, da sind etliche Künstler aufgetaucht, etwa Rey Lenon, Blue Haze oder Tiger Tiger.

Woher kommt diese Veränderung? Weil die Technik zum Beatbasteln zu Hause immer ausgefuchster und günstiger wird?

Mit Sicherheit spielen technische Entwicklungen eine Rolle. Aber es ist auch der Zeitgeist, dass man mehr elektronische und beatlastige Musik macht, während die handgemachte Musik, bis auf die wahnsinnig boomende Singer-Songwriter-Szene, zurückgeht. Die klassische Rockband gibt es gerade kaum - wobei Rock in den Randbereichen, dem Stonerrock, Psychedelic und Blues-Kram, gerade wieder kommt.

Welche Rolle spielt dabei die Sunny-Red-Bühne im Feierwerk als Labor, als Ort des Austauschs, des Vernetzens und des Ausprobierens der jungen Szene?

Es gibt ein paar Orte wie das Sunny Red in München: das Café Marat, das Kafe Kult und die Glockenbachwerkstatt, die gerade für junge Veranstalter wichtig sind, die ihre eigene Idee von Kultur ausleben wollen. Hier entstehen kleine, unabhängige, innovative Kulturformen.

Noch eines hat sich in den vergangenen zehn Jahren geändert: Auf einmal haben Politiker im Stadtrat die Pop-Förderung entdeckt. Woran liegt das?

Es gibt ganz viele Akteure, die daran schon lange arbeiten. Da gehört das Feierwerk dazu, Institutionen wie die Live-Komm, Clubs und auch Einzelpersonen, die dafür gesorgt haben, dass man Pop-Musik genauso ernst nimmt wie alle anderen Kulturformen - als kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. Das trägt gerade Früchte. Auch dadurch, dass diese Akteure angefangen haben, sich zu vernetzen. Es gibt Stammtische, das Kompetenzteam Kreativwirtschaft, die Fachstelle Pop, Verbände - auch auf nationaler Ebene passiert viel, was auf München zurückschlägt.

Wird da nur geredet, oder passiert wirklich etwas?

Es ist heute wirklich leichter, offene Ohren zu finden. Wir sind dieses Jahr mit dem "Sound Of Munich Now" offene Türen eingerannt beim Kulturreferat und beim Wirtschaftsministerium, die es erst möglich machen, dass wir ein Open Air in der Innenstadt von München veranstalten können.

Im Dezember lädt das Kulturreferat 150 Akteure ins Feierwerk ein, um zu hören, was die Pop-Szene braucht. Was fehlt?

Unser größter Bedarf sind Freiräume. Es braucht Plätze und Orte, an denen man entlastet vom Kostendruck der Stadt kreativ arbeiten kann. Deswegen ist jedes Kulturzentrum, jede Bühne eine gute Sache.

Da kam Sound Of Munich Now vor zehn Jahren gerade recht.

Das Sound of Munich Now hat in einer Zeit angefangen, als es für Bands von hier wahnsinnig schwierig war, wenn nicht nahezu unmöglich, in Münchner Clubs zu spielen. Michael Bremmers und meine Idee bei dem Festival war immer: Wir bringen mit aller Macht alle Aufmerksamkeit auf die Münchner Künstler. Ich glaube, wir haben da unseren Beitrag mit dem Festival geleistet. Und sicher auch die "Junge Leute"-Seite, die sich immer um junge Münchner Künstler bemüht hat. Das war vor zehn Jahren auch nicht normal, inzwischen ist es eine feste Instanz.

Warum schaffen es dennoch kaum Bands aus München, wie die Sportfreunde Stiller von der breiten Masse in Deutschland wahrgenommen zu werden?

Das kommt darauf an, wie man es sieht. Bei unserem Line-up sind viele Bands dabei, die normal touren in Deutschland. Man unterschätzt das gerne, wenn man sich Bands anschaut wie Friends of Gas, die vor zwei Jahren bei uns gespielt haben, die ein wahnsinnig renommiertes Release auf dem Berliner Label Staatsakt herausbrachten.

Warum sollte eine Band heute nach München ziehen?

Ich würde einer Band nicht empfehlen, nach München zu ziehen, allein wegen der Mietpreise, das wäre Selbstmord. Da würde ich sagen: Geh mal lieber nach Berlin oder Leipzig, da kannst du dir einen Proberaum leisten. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Wir hatten im vergangenen Jahr die Hongkong-Bühne bei Sound Of Munich Now, und man hat mich im Gegenzug eingeladen, dort bei einem Kongress zu sprechen. Seitdem weiß ich: Zensur, Mietpreise, Lärm - man kann noch unter sehr viel härteren Bedingungen spannende Kultur machen.

Also: auf nach München?

Ja, für München spricht eine unfassbar lebendige Live-Szene, auch ein unfassbar lebendiges Publikum, das gewillt ist, Eintritt zu bezahlen und Merch zu kaufen. Es gibt genügend Gründe, als Band in München zu spielen. Es gibt viele gute Clubs, die sind gut ausgestattet, und all meine Kollegen sind Profis, die wissen, was sie tun, und in der Stadt krasse Sachen machen.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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