Chef-Protestler:Frieden ist möglich

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Seit fast 60 Jahren setzt sich Claus Schreer für einen gewaltfreien Widerstand ein

Claus Schreer sieht nicht gerade aus wie ein Krimineller. Doch wenn der 77-jährige Münchner zurückblickt, könnte man durchaus meinen, einen gefährlichen Menschen vor sich zu haben. Sechsmal wurde der Friedensaktivist in den vergangenen Jahrzehnten festgenommen. "Das erste Mal war bei der Springer-Blockade", sagt Schreer. 1968 blockierte er mit Gleichgesinnten die Ausfahrt des Buchgewerbehauses in der Barer Straße, um die Auslieferung von Bild-Zeitungen zu verhindern. "Es kam sogar zum Prozess, aber ich bin nicht verurteilt worden", sagt Schreer.

Ein Vierteljahrhundert später, 1992, befand er sich im berüchtigten Polizeikessel in München, als die Polizei Demonstranten während des G- 7 -Gipfels stundenlang festhielt. Wenn Schreer heute bei Kundgebungen auftritt, wird er meist von Polizisten namentlich begrüßt. Schließlich ist er seit mehr als einem halben Jahrhundert das Münchner Gesicht, wenn es um friedlichen Protest gegen die Politik der Mächtigen und für eine tolerante Gesellschaft geht.

Ob Sicherheitskonferenz, das Gipfeltreffen der Sieben (oder Acht) oder Proteste gegen Rechtsextremismus: Der 77-Jährige steht nicht nur stets an vorderster Front, meist hat er die Kundgebungen oder auch Blockaden selbst organisiert. In den Sechzigerjahren rief er als Veranstalter zu den Münchner Ostermärschen auf. Danach engagierte er sich in der Kommunalpolitik, als es in München die erste große Welle der Gentrifizierung von Wohnraum gab. Erst beim Golfkrieg 1990, als unter dem Namen "Wüstensturm" eine Koalition unter Federführung der USA in den Irak einmarschierte, kam Schreer zurück ins Lager der Friedensbewegung.

Seither hat er wieder viele Demonstrationen auf die Beine gestellt, seit 2002 auch gegen die Sicherheitskonferenz. Dem Chef der Siko, Wolfgang Ischinger, ist Schreer offenbar schon lange ein Dorn im Auge. "Er kritisiert uns ständig", sagt Schreer. Mehrmals habe der ehemalige Diplomat ihn zur Konferenz als Teilnehmer eingeladen. Doch für "die Kriegstagung", diese "riesige Propagandaveranstaltung für die Kriegspolitik der Nato" will Schreer nicht seinen Namen hergeben. Nein, er bleibt auf der anderen Seite und ruft weiter zu Protesten auf.

© SZ vom 27.01.2016 / anl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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