Catering für Konzerte:Pfannkuchen für Punkrocker

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Sind Teil der Münchner Konzertfamilie: Grit Idler und Gyula Tomcsanyi leiten Kombüse Catering und verpflegen Musiker. (Foto: Alessandra Schellnegger)

230 Bands haben Grit Idler und Gyula Tomcsanyi seit 2013 bekocht - ihren Prinzipien bleiben sie dabei treu: Chicken Wings und Pommes? Machen wir nicht!

Von Michael Bremmer, München

Vielleicht lag es ja an den schwäbischen Spätzle? Selbst gemacht und serviert mit Rahmschwammerl und frischer Petersilie. Oder an den Kräuterkartoffeln, vielleicht auch an der großen Auswahl an frischen Salaten und Gemüse-Sticks. Es ist nicht weiter bekannt, was Singer-Songwriter Jack Johnson im September 2013 vor seinem Auftritt im Circus Krone alles gegessen hat. Aber er muss die Zeit vergessen haben. Eine Stunde vor dem Auftritt kam er auf Grit Idler zu und fragte sie, wie er von hier aus am schnellsten zum Eisbach zum Surfen komme.

Allein wegen Momenten wie diesen hat sich die Entscheidung von Grit Idler, 42, und ihrem Lebensgefährten Gyula Tomcsanyi, 35, gelohnt, zusätzlich zu Ihrem Café Josefa im Westend Catering hauptsächlich für Bands anzubieten. Am 4. Mai 2013 hat Kombüse Catering, wie sie ihren Ableger nennen, zum ersten Mal einen Musiker (Singer-Songwriter Frank Turner) bekocht. Es folgten bis heute 230 nationale und internationale Bands - und das, obwohl Idler und Tomcsanyi erst von Freunden überredet werden mussten, sich auf diesen Geschäftszweig einzulassen. Das Josefa läuft gut, die Frage lautete damals für die beiden: Wie können wir uns weiterentwickeln. Ein zweiter Laden kommt für Grit Idler nicht infrage, Lust auf "Chichi-Catering mit Kleidchen und Service" haben sie nicht. "Das will und kann ich nicht. Und das will ich meinen Mitarbeitern nicht zumuten", sagt Idler.

Sowohl Idler wie auch Tomcsanyi haben Kontakte in die Münchner Bandszene, Idler arbeitete viele Jahre lang im Atomic Café, Tomcsanyi machte eine Ausbildung beim Veranstalter Target Concerts. Während dieser Zeit erlebte er das Konzert von Wir sind Helden im Zenith, und dort im Backstagebereich ein "sagenhaftes Catering mit einem Koch, der die ganze Zeit für die Crew da war".

Daraus entstand die Idee für Kombüse Catering, aber letztendlich war es Stefano Corti vom Veranstalter Propeller Music, der sie dazu gedrängt hat, dieses Vorhaben auch umzusetzen. "Er hat uns Mut gemacht, er hat uns davon überzeugt, uns diese Aufgabe zuzutrauen", sagt Tomcsanyi.

Das Problem: "Wir hatten keine Ahnung, was genau sich Bands wünschen und wie viele Portionen wir einplanen müssen", gesteht Idler. Klar, im Atomic Café hat sie häufig Band-Catering gesehen, meist nach der Show und völlig verwüstet. Ihr Ansatzpunkt: "Wir wissen nicht, wie es bei anderen aussieht, von daher machen wir es so, wie wir es selbst gerne hätten", sagt Idler: Alles frisch zubereitet, Fleisch und Gemüse aus der Region, selbst gemachter Humus, die Wurst- und Käseplatte immer wieder neu aufgelegt, Blätterteigtaschen mit Spinat, Gemüsequiche, Lachs mit Kräutern, Olivenöl und mit Zitrone garniert. "Wir haben einfach die Idee und das Konzept aus der Josefa übertragen". Noch heute wird dort in der Mini-Küche auf den vier Herdplatten alles für die Bandverpflegung vorbereitet und dann in die Konzerthallen gebracht.

Grit Idler und Gyula Tomcsanyi könnten vom Aussehen her selbst Musiker sein: Sie die Sängerin, er mit seinen fiesen Koteletten und den Totenkopfringen an beiden Händen vielleicht der Bassist. Beide sehr zurückhaltend und entwaffnend sympathisch, wenn sie etwa mehrfach betonen, dass sie keineswegs besser seien als andere Caterer. Und diese Eigenschaft schätzen auch die Musiker - zum Beispiel die Sportfreunde Stiller. Auf ihren großen Tourneen haben sie ihren eigenen Caterer dabei, für kleinere Club-Konzerte machen sie da schon mal eine Ausnahme. Schlagzeuger Flo Weber gefällt es, dass sie fern seien "von dem übertriebenen Rock 'n' Roll-Gehabe, auf das sich so manche Küche Großes einbildet". Spontan kamen Idler und Tomcsanyi zu ihrem Catering beim Konzert der Sportfreunde in der alten Kongresshalle, über Nacht mussten sie Manager Marc Liebscher ein Angebot schreiben - es muss inspirierend gewesen sein, wenn man das Lob der Sportfreunde hört: "Grit und Gyula verstehen es, eine kulinarische Kombination hinzulegen, die delikat ist und immer wieder mit überraschenden Gerichten aufwartet. Zusammen mit einer geschmackvollen Anrichtung wird klar, dass die beiden Teil einer riesigen Konzertfamilie sind und nicht nur für einen Veranstalter ihre Arbeit machen!"

Jack Johnson brachte einen Abfallberater mit auf Tour

Dieses Lob wiederholt sich, wenn man sich bei Veranstaltern umhört. "Die Bands lieben das Essen - ausnahmslos", sagt etwa Danijela Kufner von Südpolmusic. "Grit und Gyula haben einen Blick fürs Detail und lassen sich immer was besonderes einfallen, wenn jemand aus der Crew Geburtstag hat." Für Stella Mozgawa, Schlagzeugerin der US-amerikanischen Post-Punk-Band Warpaint , haben sie etwa zum Geburtstag extra einen veganen Kuchen gebacken.

Und: Grit Idler und Gyula Tomcsanyi haben ihre Prinzipien. "Chicken Wings und Pommes? Machen wir nicht, das sind nicht wir", sagt Idler. Kaffee-Kapseln? Geht gar nicht. Wünschen sich Bands Waren von Großkonzernen, gibt es nach Möglichkeit Nachfragen an das Management: "Muss es wirklich das Nestlé-Produkt sein? Unbedingt Coca-Cola? Oder dürfen wir das durch regionale Produkte von fair gehandelten oder kleinen Firmen ersetzen?" Idler sagt: "Nachhaltigkeit und Ethik ist uns wichtig."

Idler isst vegan, Tomcsanyi vegetarisch - auf jeden Ernährungswunsch der Musiker lassen sie sich ein, auf jedes Anliegen. Auch wenn es manchmal skurril klingt. Einmal - Bandnamen werden nicht genannt, Diskretion ist ihnen wichtig - mussten sie sich verpflichten, alles mit Handschuhen anzufassen und Kochmützen zu tragen. Nach der Show kam der Musiker in die Küche und entschuldigte sich für seinen Hygiene-Tick.

"Die Entscheidung für das Catering war definitiv richtig", sagt Gyula Tomcsanyi. "Die Anforderungen sind von Band zu Band anders, es ist immer spannend, sowohl kulinarisch wie auch für uns persönlich." Auch, weil schon viele Freundschaften mit Musikern entstanden sind - und es immer wieder zu außergewöhnlichen Momenten kommt. Die Musiker der US-amerikanischen Rock 'n' Roll-Band Social Distortion hatten nach ihrer Show im Zenith plötzlichen Appetit auf Pfannkuchen. Grit Idler erinnert sich: "Alles war schon leer, die Bühne abgebaut, in der Küche brannte noch eine Stehlampe und am Tisch saßen drei Musiker Mitte 50, von oben bis unten tätowiert, und freuten sich mit leuchtenden Augen wie Kinder über ihre frischen Pfannkuchen mit Nutella."

Nahezu für jede Band, jeden Musiker gibt es eine Geschichte. Die Musiker von The Notwist wollten zurück von ihrer Japan-Tour unbedingt Schweinebraten, der als sehr wählerisch bekannte Schmuse-Barde Damien Rice hat sich sogar Sachen für später einpacken lassen. Jack Johnson wiederum hat einen Abfallberater mit auf Tour - schon vorab bekam Kombüse Catering Post von ihm mit der Frage, mit wie viel Abfall denn gerechnet werde, verbunden mit Tipps, wie man Müll vermeiden könne. 42 Menschen waren mit Johnson auf Tour - neben der Technik-Crew auch seine Familie samt Kinderfrau. 15 Baguettes, jede Menge Brezn und anderes Brot hatten Idler und Tomcsanyi eingekauft, dazu 120 Eier, die nach Wunsch zubereitet wurden. Kein Wunder, dass selbst der Surfer Jack Johnson da mal den Eisbach aus den Augen verliert - auf seine Frage, ob er noch schnell zum Surfen gehen könne, hat Idler von einem spontanen Abstecher abgeraten. Das ist zwar nicht Aufgabe des Caterers, aber man gehört eben zu einer großen Konzertfamilie.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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