Campus in Garching:Audimax und Asia-Imbiss

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Mit der "Neuen Mitte" bekommt der Garchinger Campus nicht nur Seminarräume und ein Kongresshotel mit großem Hörsaal, es zieht in "Garchosibirsk" endlich auch etwas Leben ein.

Ines Alwardt und Sebastian Krass

Es ist eher Erleichterung als Enthusiasmus. Erleichterung, dass endlich etwas vorangeht. Dass die Geduld sich wohl doch gelohnt hat. Denn nach knapp drei Jahren des Wartens brach kurz vor Ostern hektische Betriebsamkeit aus. Seitdem jagt eine Sitzung die andere. Grundsätzliches und Details, alles muss schnell geklärt werden, damit am Mittwoch beim Notar besiegelt werden kann, dass aus den Plänen für die Neue Mitte Garching endlich Wirklichkeit wird.

Soll bald umgebaut werden: Der Campus der TU München in Garching. (Foto: LKN)

Und es sind wirklich schöne Pläne: Die Technische Universität (TU) München soll auch auf dem Campus in Garching ein würdiges Audimax für 1300 Menschen plus Seminarräume bekommen. Und wenn sie die Räume nicht braucht, sollen dort Kongresse stattfinden. Denn wo schon viele Wissenschaftler sind, reisen gerne noch mehr Wissenschaftler hin, um all ihr Wissen austauschen und zu mehren. Bisher gibt es in Garching keine befriedigenden Räumlichkeiten für Tagungen. Künftig sollen Kongressteilnehmer in einem Vier-Sterne-Businesshotel schlafen.

Für Wissenschaftler, die länger bleiben, sollen knapp 200 günstige Appartements bereitstehen. 8000 Quadratmeter Bürofläche für wissenschaftliche Nutzung sind ebenfalls vorgesehen. Und der Campus soll endlich auch ein bisschen mehr Lebensqualität bieten, einen kleinen Supermarkt zum Beispiel, zehn Läden insgesamt, dazu noch eine Handvoll Restaurants und Imbisse - und ein kleines Fitnesscenter.

Seit dem Bau des ersten deutschen Forschungsreaktors FRM-I im Jahr 1957 ist auf dem weitläufigen Gelände im Nordosten der Stadt Garching ein gewaltiges Wissenschaftszentrum entstanden. Den Kern bilden die Institute der Technischen Universität (TU) München, außerdem haben sich vier Max-Planck-Institute angesiedelt, das Hauptquartier der Europäischen Südsternwarte und eine Reihe privater Firmen. 15000 Menschen sind zu Semesterzeiten jeden Tag auf dem Campus beschäftigt, ob als Dozenten, Studenten oder Mitarbeiter, und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Sie sind in einer Wüste stationiert. Es gibt die - dringend sanierungsbedürftige - Mensa, und sonst: fast nichts. "Nicht mal ein Blatt Papier kann man kaufen", klagen die Leute.

Es wird höchste Zeit, die Geburtsfehler des Campus zu beheben. Mit dem Notarvertrag übergibt der Freistaat ein Gelände östlich der U-Bahnstation Garching-Forschungszentrum in Erbpacht an eine Gruppe von drei Firmen, die sich bei Androhung hoher Vertragsstrafen verpflichtet, die Neue Mitte mit ihren 32.000 Quadratmetern Geschossfläche zu errichten. 75 Millionen Euro wollen die Bauunternehmen Pöttinger (Ottobrunn), Lindner (Arnstorf) und die Projektentwickler von MoTo (Dachau) dafür bewegen. 60 Millionen Euro davon sind reine Baukosten.

Auch vor zehn Jahren drang die TU schon auf einen solchen Ausbau. Doch der Freistaat ist nicht bereit, dafür Geld zu geben. "Die demografische Entwicklung ist so, dass der Studentenberg noch wächst, dass er in 15 Jahren aber wieder auf die heutige Linie gesunken sein wird", rechnet Benno von Rechenberg vor. Er leitet die Regionalvertretung München des Unternehmens Immobilien Freistaat Bayern. "Deshalb können wir es nicht vertreten, in Garching weiteres staatliches Baueigentum zu schaffen." Damit musste sich selbst TU-Präsident Wolfgang Herrmann abfinden, zumal der Freistaat ohnehin in nächster Zeit die Garchinger Mensa generalsanieren oder gleich neu bauen muss.

Daraufhin regte Herrmann für die Neue Mitte ein PPP-Projekt an, das steht für Public-Private-Partnership: Investoren dürfen auf öffentlichem Grund bauen und versuchen, sich aus der Vermarktung der Gebäude zu refinanzieren. Im August 2006 stimmte der Bayerische Ministerrat zu. Zwei Jahre später war die europaweite Ausschreibung entschieden. Die drei Firmen gründeten die Neue Mitte Garching GmbH und hatten bald einen Investor an der Hand. Doch der sprang, als alles schon eingetütet schien, ab - wegen der Immobilienkrise.

Danach wurde "alles ein bisschen mühsam", wie Stefan Handke von der Firma Moto erzählt. Monat um Monat verging, entweder passierte nichts, oder die Auftraggeber wurden vertröstet: Bald habe man einen Investor, ganz bestimmt. Einmal, heißt es, war schon ein Notartermin angesetzt, der kurzfristig platzte. Ende 2010 kam dann das Ultimatum. "Das lief nach dem Motto: Haltet uns nicht weiter hin, sondern sagt uns, ob Ihr das könnt oder überhaupt noch wollt. Denn selbst da waren wir uns nicht mehr so sicher", erzählt ein Insider. "Wir haben dann sinngemäß gesagt: Wenn Ihr bis Ostern keinen Investor habt, schmeißen wir Euch raus." Das Ultimatum kam spät, aber es kam - und es wirkte, so der heutige Eindruck.

Denn vor den Osterferien meldete die GmbH plötzlich den Notartermin. Ein Investor ist nach SZ-Informationen immer noch nicht gefunden. Demnach bauen die Firmen jetzt auf eigene Kosten und wollen das Ganze später verkaufen. Handke sagt dazu nur: "Jetzt geht es unwiderruflich los. Wir ziehen das durch." Erleichtert, aber auch irritiert sagt ein Beteiligter von der Seite der Auftraggeber: "Man fragt sich, ob das nicht auch schon vor einem halben Jahr möglich gewesen wäre, ohne Ultimatum."

Und so ist diese Geschichte auch ein Lehrstück darüber, dass PPP's kein Allheilmittel in Zeiten staatlicher Sparsamkeit sind. "Die von der TU dachten: Wenn wir das mit dem privaten Sektor machen, steht das bis zum Wintersemester 2011/2012, rechtzeitig zum Ansturm der Studienanfänger aus dem doppelten Abiturjahrgang", erzählt jemand, der die Geschichte schon länger verfolgt. "Aber dann mussten sie sehen, dass der private Sektor auch nur mit Wasser kocht." Wenn die Geschäftsbeziehung geplatzt wäre, hätte man "in eine neue Überlegungsphase treten müssen, was das für ein Projekt werden soll", sagt der staatliche Immobilienentwickler Benno von Rechenberg. Vor Ende des Jahrzehnts wäre es dann nichts mehr geworden mit Audimax und Asia-Imbiss in Garching.

Die Investorensuche verlief aber nicht nur wegen der Immobilienkrise so zäh und auch nicht nur, weil die privaten Partner sich - so eine verbreitete Einschätzung - wenig geschickt verhalten haben. Die Rahmenbedingungen waren auch "nicht der Renner, andere PPPs sind begehrter", wie von Rechenberg einräumt. Ein Problem ist die Erbpachtregelung. Wenn einem Bauherrn ein Grundstück nicht gehört, wird es deutlich teurer, sich Geld bei Banken zu leihen. Aber ein Verkauf des Areals stand für den Freistaat nie zur Debatte.

Zudem müssen, grob überschlagen, 50 Prozent der Fläche für öffentliche Nutzung reserviert werden, 50 Prozent können privat vermarktet werden - ein Verhältnis, das nicht gerade Traumrenditen verspricht. Die TU zöge als Mieterin ein, die Kosten dafür sollen sich ungefähr die Waage halten mit der Erbpacht, so dass diese Nutzung für den Staat ein Nullsummenspiel ergäbe. "Natürlich muss sich ein PPP auch für den Partner rechnen, sonst kommt es nicht zustande. Aber wenn das Konzept völlig daneben gewesen wäre, hätte man das früher gemerkt", ergänzt von Rechenburg.

Erleichtert klingt auch Garchings Bürgermeisterin Hannelore Gabor (CSU). Ihre Stadt hat vitales Interesse am Entstehen der Neuen Mitte. "Das Kongresszentrum wird uns im Dienstleistungsbereich zu einem richtigen Schub verhelfen." So rechnet sie damit, dass sich auch auf dem grünen Feld zwischen Stadt und TU langfristig kleine Geschäfte und Cafés ansiedeln. Zusätzliche "Wertschöpfung", sprich: Steuereinnahmen für die Stadt, erhofft sie sich durch forschungsnahes Gewerbe, das sich in dieser sogenannten "Kommunikationszone" ansiedelt. Deshalb ist im Genehmigungsverfahren für die Neue Mitte mit Wohlwollen, aber auch ein paar Wünschen des Landratsamts zu rechnen.

Und wie lang dauert es insgesamt noch, wenn der Notarvertrag einmal unterschrieben ist? Mindestens drei Jahre. Etwa ein halbes Jahr wird für den Architektenwettbewerb draufgehen, der in dieser Woche starten soll, ein weiteres halbes Jahr für das Bebauungsplanverfahren. Wenn bis dahin alles glatt geht, braucht es noch zwei Jahre Bauzeit. Zum Wintersemester 2014/2015 könnten also die ersten Maschinenbau-Einführungsvorlesungen das Audimax an die Kapazitätsgrenzen bringen.

© SZ vom 09.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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