Bushido::"Hast du was, bist du was"

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Wer hätte das gedacht: Das Bio-Festival und die Fäkalsprache-Schleuder. Ja, wirklich, Tollwood und Proll-Rap passen bestens zusammen.

Jochen Temsch

Trockeneisnebel zischt, Pyro-Fontänen knallen, alle Hände sind oben, und Bushido begrüßt sein Publikum "in einem komischen Zelt oder sowas". Kein Zweifel: Das Bio-Festival und die Fäkalsprache-Schleuder passen bestens zusammen.

(Foto: Foto: AP)

Tollwoods multikulturelles Gemisch bereichert der Berliner Prekariats-Poet - der ohne Maske, der Smartere - mit seinem von sozialer Härte kündenden "Sonnenbank-Flavour". Ob es Bedenkenträgern passt oder nicht: Der umstrittene Echo-Gewinner vertont ein bestimmtes Lebensgefühl von jungen Basecap-Trägern so erfolgreich wie kein zweiter deutscher Hip-Hopper.

So einen einzuladen steht einem Festival gut an, das nicht nur Alt-Rocker präsentieren, sondern am aktuellen Pop-Diskurs teilnehmen möchte.

Abgesehen davon erweist sich die Verpflichtung dieses Vertreters der neuen deutschen Härte im Räucherstäbchenumfeld als gar nicht mal so mutig. Anis Mohamed Youssef Ferchichi, wie er bürgerlich heißt, kommentiert den Auftrittsort zwar ironisch - "wir sind hier ja alle tolerant und nett zueinander", als Einleitung ausgerechnet zum Song "Hast du was, bist du was" - gibt sich ansonsten aber als sympathisch ungekünstelter Proll für die ganze Familie.

Seine krassesten Gewalt- und Sextexte darf er sowieso nicht aufführen. Die sind indiziert und sorgen im Hintergrund seiner Karriere für konstanten Werbe-Beat und nützlich negative Schlagzeilen - sonst könnte es womöglich heißen, wer so oft in der Bravo steht wie Bushido, sei ein Weichei.

Live konzentriert er sich auf Unterschichts-Geschichten, unverklärte Knasterfahrungen und teils Anrührendes wie die Ballade des vom Stiefvater vergewaltigten Mädchens "Janine". Der Rest sind Macker-Stücke mit ermüdend vielen Representer-Lines über die eigene Großartigkeit.

Der Sound - auf Platte glatt, mainstreamig und poppig - kommt mit Unterstützung durch einen Drummer und einen Bassisten, einen DJ und MCs druckvoll rüber. Die meisten Worte schluckt das Zelt, aber Jungs wie Mädchen schreien sowieso jede Zeile auswendig mit. Ein gewisses Abstraktionsvermögen kann man ihnen nur wünschen.

© SZ vom 20.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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