Brandursache unbekannt:"Fällt jetzt das Haus ein?"

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Mit dem Leben davongekommen sind Bewohner der Krumterstraße, weil eine Nachbarin das Feuer rechtzeitig entdeckt hat.

Susi Wimmer

Der Mann im schneeweißen Overall steht knöcheltief in Schutt und Asche. "Hier", sagt Stefan Reichenbach und deutet auf eine etwa vier Quadratmeter große Fläche, "muss der Brand ausgebrochen sein". Hier also, unter den unzähligen verkokelten Brettern, den verschmorten Videos, den Stoff- und Möbelresten - hier also wollen die Brandfahnder der Polizei die Ursache für das Feuer finden, das gestern Nacht in der Krumterstraße den kompletten Dachstuhl eines Hauses verwüstet hat.

Knöcheltief in Schutt und Asche: Der ganze Dachstuhl ist verwüstet. Die Ursache des Brandes ist noch unklar. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

"Sie hat uns irgendwie das Leben gerettet"

"Wir hatten einfach Glück", sagt eine junge Frau, die im fünften Stock, direkt unterm Dach wohnt. Glück, dass um 5.30 Uhr eine Nachbarin aus Untergiesing ihren Hund spazieren geführt, das Feuer entdeckt "und uns irgendwie das Leben gerettet hat", sagt die 33-Jährige. Sie war kurz vor dem Läuten aufgewacht. Weil irgendetwas über ihr klopfte.

"Es hörte sich an, als ob es heftig regnet, oder pausenlos etwas aufs Dach fällt." Jetzt sitzt sie in ihrer Wohnung, das Löschwasser tropft durch die Decke und an den Wänden zeichnen sich dunkle Flecken ab. Die Tür zum Hausflur ist geöffnet, ab und an steckt ein Feuerwehrmann den Kopf herein und bemüht sich, auf dem mit Papiertüchtern ausgelegten Boden zu gehen.

"Bei mir hat es die Fensterstöcke gesprengt. Fällt jetzt das ganze Haus ein?", fragt die Flurnachbarin einen Feuerwehrmann. Der schüttelt den Kopf und beruhigt die Frau.

Unten auf der Straße hat der Ruß die geparkten Autos quasi beschneit, das Treppenhaus gleicht einer schwarzen Wasserrutsche und vor den Haustüren liegen Handtuchrollen, die das Löschwasser abhalten sollen. Penetranter Brandgeruch zieht durch das Haus, der mit jeder Etage intensiver wird. Ganz oben, im ehemaligen Speicher, blinzelt die Sonne gerade zum nicht mehr vorhandenen Dach herein.

Über den rabenschwarzen Balkenresten spannt sich der blaue Himmel. An einigen Stellen raucht das Holz noch immer. Gleich am Eingang liegen die Überreste eines Akkordeons. Die Tasten und Knöpfe sind noch erkennbar, der Corpus ist arg deformiert. Rechts hängt noch die Wäsche zum Trocknen, auf der linken Seite haben die Flammen ganze Arbeit geleistet.

Feuerwehrleute entfernen von der Drehleiter aus die restlichen Dachschindeln und werfen sie ins Gebäudeinnere, die Kollegen "drinnen" suchen mit einer Wärmebildkamera nach Glutnestern und stochern mit einer Art Heugabel in angeschmorten Brettern und Gegenständen.

Was bleibt, ist Fahrlässigkeit

Drei Stunden zuvor hatte der 15 auf acht Meter große Dachstuhl lichterloh gebrannt. Laut Feuerwehr rückten drei Trupps unter Pressluftatmern durch das Treppenhaus nach oben vor, über die Drehleiter wurde von außen gelöscht. 21 Bewohner sowie ein Dackel hatten zwischenzeitlich das Gebäude verlassen. Sie warteten wegen der kühlen Nachttemperaturen in einem Großraumrettungswagen auf das Ende der Löscharbeiten. Den Sachschaden schätzt die Feuerwehr auf gut 300 000 Euro.

Wer oder was für das Feuer verantwortlich war, das müssen die Kripo-Experten Stefan Reichenbach und Klaus Finnemann herausfinden. Und zwar nach dem Eliminationsprinzip. Sprich: Alle möglichen Brandursachen werden überprüft und nach und nach ausgeschlossen. "In diesem Fall ist das schwer, weil fast nichts mehr da ist", sagt Reichenbach. Man werde die so genannte Brandzehrung begutachten, um festzustellen, wo und wie intensiv das Feuer war - und auch die Fotos von der Feuerwehr, die während des Brandes aufgenommen wurden, auswerten.

Ein Elektriker ist mittlerweile ebenfalls oben in dem Schutthaufen. "Technischer Defekt", sagt Kriminalhauptkommissar Reichenbach schon nach kurzer Zeit, "scheidet aus". Es gab keine Steckdosen, die Leitungen für die beiden Schiffslampen waren in Rohren verlegt. Zum Beweis hält der Brandfahnder eine geknickte, aber relativ unbeschadete Leitung gen Himmel.

Außerdem sei das Feuer nach dem Brandbild zu urteilen nicht von oben gekommen, sondern von unten. Und auch für Brandstiftung gebe es keine Indizien: Die Haustüre war verschlossen, die Mieter gelten laut der Wohnbaugesellschaft GBWAG als zuverlässig.

Was bleibt, ist Fahrlässigkeit. Und ein Mieter, der kurz vor Mitternacht noch im Speicher war, um Unterlagen zu suchen. Ein Mieter, der Raucher ist. Und der sein Speicherabteil an genau der Stelle hat, die Kriminaloberkommissar Klaus Finnemann als Brandherd lokalisiert hat.

"Wenn man sich die Bretter von der anderen Seite her anschaut, ist die Zehrung nicht so stark", erklärt er. Noch bis zum Nachmittag wird er mit seinem Kollegen den Boden absuchen und versuchen zu rekonstruieren, was in dem Abteil wo gestanden hatte. Kerzen- oder Zigarettenreste allerdings, meint er noch, werde man hier wohl vergeblich suchen.

Für den Gebäudeversicherer allerdings ist das Resultat der Ermittlungen egal: Er wird den Schaden bezahlen, ein möglicher Täter könnte nur strafrechtlich wegen fahrlässiger Brandstiftung belangt werden. "Jetzt hoffen wir, dass die Mieter nicht recht beeinträchtigt werden", meint Thomas Neumann von der GBWAG. Und, dass bis Weihnachten ein komplett neuer Dachstuhl auf dem 60er-Jahre-Bau in der Krumterstraße thront.

© SZ vom 8.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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