Bordelle und Corona:Pandemie-Pause ist die Chance zum generellen Verbot

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Die "besonders infektionsträchtigen Einrichtungen" sind immer noch geschlossen. Davon lassen sich grundsätzliche Betrachtungen ableiten

"Sex mit Mundschutz, warum nicht?" vom 11./12.Juli:

Finden Sie nicht auch, dass Sie ein bisschen viel Verständnis, Platz und Bildfläche für die Nöte einer eher begrenzten Zahl männlicher Anhänger sexueller Ausbeutung notleidender Frauen aufgewandt haben? Die Not der Frauen sehen Sie wohl eher in Behinderung oder Illegalität ihrer Tätigkeit als in dem schändlichen Zwang, diese zutiefst menschenverachtende Tätigkeit überhaupt erst ausführen zu müssen.

Statt einer Wiederöffnung der Bordelle sollte die Prostitution dringend während der Pandemiedauer gänzlich verboten werden, da sie einen besonders effektiven, da unkontrollierbaren Weg der Virenverbreitung darstellt.

Eine Verhinderung großflächigen Abgleitens des Metiers in die Illegalität und Hilfe für ausstiegswillige Frauen wird zum Beispiel in Schweden von einer überschaubaren Personenzahl in Polizei und Sozialdienst erfolgreich bewerkstelligt. Natürlich ist auch gerade der Bordellbetrieb eine sehr effiziente Virenschleuder. Welcher Tropf glaubt denn wirklich, dass in den "Verrichtungsräumen" die Maskenpflicht eingehalten werde, da auch sie nicht kontrolliert werden kann? In den wohl eher kleinen Räumlichkeiten sind da beste Ausbreitungsbedingungen für das Virus garantiert.

Ein Hinterlassen von korrekten persönlichen Daten kann zudem wohl meist geradezu ausgeschlossen werden, da die Sexkäufer bei Entdeckung den Verlust ihrer sozialen Reputation beziehungsweise ihrer Ehe, Familie oder Partnerbeziehung befürchten müssen. Sie werden vielmehr alles tun, einen Aufenthalt und insbesondere eine Ansteckung sowie deren mögliche Quelle zu verheimlichen. So machten Ende Juni selbst im vergleichsweise reputablen Schweizer Nachtclub "Flamingo" ein Drittel der Gäste falsche persönliche Angaben, manche auch gar keine, mit übelsten Folgen. So eignen sich auch Bordelle bestens für neue Hotspots.

Bei der einfältigerweise zum Vergleich herangezogenen Kosmetikerin gibt es dagegen keinen Grund, seinen Klarnamen zu verheimlichen oder seine Maske abzunehmen.

Die Fürsorge der Bordellbetreiber und die Zuversicht der Polizei, die Frauen vor Zuhältern schützen zu können, klingt geradezu rührend, wenn man sie im Licht der Prozess-Aussagen zum Stuttgarter "Vorzeige"-Bordell "Paradise", 2019, betrachtet. Der Richter nannte die Mär vom sauberen Bordell wegen nachgewiesener Zwangsprostitution schlicht eine Lüge.

Da bisher nun wirklich keine Auswirkungen der Bordellschließungen auf die allgemeine Befindlichkeit und Lebensqualität der deutschen Bevölkerung erkennbar sind, sollte daher die Zeit genutzt werden, das jetzige, seinen Namen absolut nicht verdienende Prostituiertenschutzgesetz zu überwinden und Schritte zur Realisierung des nordischen Modells auch bei uns zu unternehmen, welches - in unterschiedlichen Versionen - neben dem Ursprungsland Schweden bereits in zehn weiteren Ländern existiert und nur den Sexkäufer bestraft, die ausgebeuteten Frauen dagegen schützt.

Das französische Verfassungsgericht hat erst 2019 das nationale Gesetz bestätigt, das in der Prostitution einen Gewaltakt gegen die Würde der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter sieht und das Ziel verfolgt, den Menschenhandel einzudämmen. In Schweden gilt der Sexkäufer mittlerweile als "Loser". Wir aber werden mittlerweile als das Bordell Europas angesehen, für welches amerikanische Reiseunternehmen bereits einschlägige Reisen - gekoppelt mit Sightseeing - anbieten.

Vielleicht sollten wir uns einmal mit unserem Frauenbild in Deutschland auseinandersetzen. Dr. Valentin Klöppel, München

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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